Statement an die OSZE zu NEUTRALITÄT und FRIEDEN

Anlässlich der Tagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien am 23.2.2023

Als ein Mitbürger, der noch das Grauen des Zweiten Weltkrieges und auch die Härte der russischen Besatzung erlebt hat, ersuche ich Sie, mir kurz zuzuhören.

Was sich derzeit europaweit abspielt, ist ein einseitiges Narrativ des Trios USA-NATO-EU, das die Russen verteufelt und ihnen die faire Anhörung entzieht. Die grundlegende Regel des menschlichen Zusammenlebens <audiatur et altera pars> wird grob missachtet.

Vor allem wurde der schriftliche Vorschlag Russlands vom 17.12.2021 für einen Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation bezüglich Sicherheitsgarantien, der korrekt und zumutbar war und ist, nicht einmal beantwortet.

Österreich sollte als gesetzlich immerwährend neutraler Staat eine glaubwürdige Vermittlerrolle einnehmen, um immenses Leid und Zerstörung zu verhindern. Diese Rolle wird derzeit von der Regierung kompromittiert, weil diese ohne parlamentarische Ermächtigung unter Verletzung der gebotenen Neutralität den Wirtschaftskrieg der EU – genannt Sanktionen – mitvollzieht.

Hierzu wird die Neutralität „uminterpretiert“: Sie beziehe sich nur auf militärische Aktionen, und Solidarität mit den EU-Sanktionen sei mit ihr vereinbar. Außerdem sei sie uns (die Neutralität, Anm. d. Red.) aufgezwungen worden.

Dies ist nicht nur rechtsbrecherisch, weil die immerwährende Neutralität umfassend zu praktizieren ist – der Neutrale darf für keine Seite Partei ergreifen – sondern auch historisch unwahr.

Lassen Sie mich einige erhellende historische Fakten mitteilen:

Nachdem die NATO im April 1949 gegründet worden war, hat mein Onkel, der in der Schweiz lebende Historiker und Germanist Dr. Heinrich Raab, meinem Bruder Johannes Wohlmeyer einen Brief an seinen Bruder Julius mitgegeben. Diese ‚Kurier-Tätigkeit‘ war erforderlich, weil alles abgehört wurde. Mein Bruder, der vier Demarkationslinien überqueren musste, hatte den Auftrag bei Gefahr den Brief sofort zu vernichten – auch wenn er ihn aufessen müsste. Der Inhalt war klar: Wenn Österreich sich nach dem Muster der Schweiz immerwährend neutral erklärte, würde ein neutraler Keil vom Genfersee bis zum Neusiedlersee entstehen. An diesem müssten die Russen Interesse haben, zumal Wien östlich von Prag liegt.

Der Ursprung des Weges zur Neutralität kam also nicht von außen. Die Westmächte waren aus denselben Erwägungen gegen die Neutralität und Julius Raab musste ‚Aufklärungsreisen‘ nach London, Paris und Washington unternehmen, um den Widerstand der Westmächte zu brechen, und die stillschweigende Zustimmung zum Verhandeln mit den Russen zu erreichen.

Das Wunder des ‚Staatvertrages‘ gelang und Österreich wurde frei.

Russland ist der Staat, in dem das Original des Staatsvertrages verwahrt ist.

Um so mehr ist es unklug und beleidigend, Russland mit ‚Sanktionen‘ zu provozieren. Österreich ist in den Augen der Russen zum Feindstaat mutiert.

An die Adresse der OSZE sowie Deutschland und Frankreich muss noch eine dringende Ermahnung bezüglich des Weges zum Frieden abgehen:

Das Minsker Abkommen aus 2015 sah in Bestärkung von Minsk I einen für beide Seiten zumutbaren Weg zum Frieden vor (Waffenstillstand, Abzug aller schweren Waffen, Föderalismus, Amnestie etc.). Es wurde sogar von den Vereinten Nationen anerkannt (Resolution 2202 (2015) ). Weder Deutschland noch Frankreich noch die OSZE haben jedoch auf die Einhaltung des Abkommens gedrungen. Frau Merkel hat sogar vor kurzem offen zugegeben, dass die Minsker Abkommen nur dazu dienten, Russland hinzuhalten und in der Zwischenzeit die Ukraine auf NATO-Standard aufzurüsten. Umso mehr ist es nun geboten, die Minsker Abkommen zu vollziehen, wobei der OSZE die entscheidende Rolle zukommt.

Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer







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