Die heutige neo-liberale Ökonomie spricht bewusst nicht von einer politischen Ökonomie, da nach Adam Smith die „unsichtbare Hand“ des Marktes alles regelt und gleichsam einem Quasi-Naturgesetz unterliegt und somit eine Eigengesetzlichkeit beansprucht. Dabei zeigen schon die unterschiedlichen Begriffe wie „Planwirtschaft“, „soziale Marktwirtschaft“, „freie Marktwirtschaft“, solidarische Wirtschaft“, „Tauschwirtschaft“, dass jede Ökonomie politische Ökonomie ist, weil sie so oder anders die Gesellschaft speziell formt und gestaltet. Wenn wir Mitglieder von CGW eine „gerechte Wirtschaftsordnung“ fordern und uns dafür einsetzen, betreiben wir eine politische Ökonomie, die solidarisch und gerecht sein soll. Politische Ökonomie setzt aber immer eine Gesellschaftsanalyse voraus, um dann zielorientiert handeln zu können. Da wir als Christen unsere Grundorientierung aus den beiden Testamenten der Bibel finden wollen, fragen wir nach ihrer politischen Ökonomie als Wegweisung.
- Die politische Ökonomie in der hebräischen Bibel (Altes Testament)
Jüngste Forschungsergebnisse[1] haben herausgefunden, dass zwischen dem 8. und 6. Jh. v. Chr. sich in ganz Eurasien von Griechenland bis China eine gewaltige Umwälzung der politischen Ökonomie ereignete, die dadurch gekennzeichnet war, dass auf einmal Geld und privates Eigentum das tägliche Leben der Menschen und Gesellschaften bestimmte, wo vornweg solidarische Tauschgemeinschaften bestanden. Entstanden ist diese Lebensweise durch entstehende Großreiche und einer Professionalisierung des Militärwesens, das Berufssoldaten (Söldner) bezahlen musste. So prägte man um 600 v. Chr. Metallstücke zu Münzen, die als neue Währung galten. Geboren war die Geldwirtschaft, die aber enorme soziale Folgen nach sich zog. Besonders betroffen waren die überschuldeten Kleinbauern. Statt Solidarität herrschte nun Wettbewerb und immer mehr berechnender Egoismus. Die Gier nach grenzenlosem Geldgewinn regierte, die durch die neu entstandenen Institutionen von Zins und Kredit befriedigt wurde. Entstanden auf der reichen Seite der Gesellschaft Großgrundbesitzer, existierten auf der anderen Seite der Gesellschaft überschuldete Kleinbauern, die in Schuldknechtschaft gerieten. Aus einer nahezu egalitären Gesellschaft wurde eine Klassengesellschaft. Mit der immer mehr zunehmenden Geldexpansion und einem aufgeblähtem Militärwesen expandierten auch die Großmächte, indem sie kleine Staaten tributpflichtig machten.
Interessant ist, dass sich in eben dieser Zeit die großen Weltreligionen (Judentum, Buddhismus und Konfuzianismus) stimmgewaltig etablierten und gegen diese gierige Wirtschaftsweise auftraten, die die Gesellschaft spaltete. Beispielhaft ist für uns die Etablierung der beiden Reiche Israel (Nordreich) und Juda (Südreich) auf dem Boden Palästinas. Die Könige beider Reiche praktizierten fast durchweg die Politik der Großreiche im Kleinen in ihren eigenen Staaten. Dagegen aber erhoben sich die Propheten, die den Mächtigen widersprachen. Um 750 v. Chr. trat der Prophet Amos im Nordreich auf und wetterte gegen die Unterdrückung der Kleinbauern durch die Reichen und die Oberherrschaft im Lande, denn die Kleinbauern hatten ihr Land durch Pfändung verloren, weil sie unbezahlbare Schulden bei Großagrariern hatten. Der Gottesspruch des Propheten ist radikal:
„So spricht Gott: Wegen der drei Verbrechen von Israel und wegen der vier mache ich es nicht rückgängig: Weil sie die Gerechte für Silbergeld verkaufen und den Armen für ein Paar Sandalen. Den Kopf der Hilflosen treten sie in den Staub der Erde und manipulieren die Situation der Bedürftigen…. Auf gepfändeten Kleidern strecken sie sich aus neben jedem Altar, und Wein vom Geld der Verschuldeten trinken sie im Hause der Gottheit“ (Amos 2,6-8).
Wie kein anderer Prophet vor ihm rückt Amos Recht und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und gegen die Zerstörung menschlicher Beziehungen durch die Mechanismen des Geldes und des Privateigentums. Er will alle asymmetrischen Machtbeziehungen korrigieren, indem er an Gottes Willen erinnert: „Es wälze sich heran wie Wasser das Recht und die Gerechtigkeit wie ein starker Strom“ (Amos 5,24).
Das ist die politische Ökonomie der Bibel[2], die sich wie ein roter Faden von Anfang an bis zu Jesus und der Urgemeinde durchzieht. Denn in gleicher Weise reden die Propheten Hosea, Micha, Jesaja und Jeremia im Staate Juda. Doch diese kritischen Stimmen sind in Israel eine Minderheit. Die Könige richten sich nicht danach bis um 650 v. Chr. König Josia im Südreich diese prophetische Botschaft in eine Rechtsform umsetzt. Es ist als „Zweites Gesetz“ im Buch Deuteronomium (5. Buch Mose) niedergeschrieben und enthält Texte aus mehreren Epochen. Neben den 10 Geboten vom Sinai, in dem Gott als Befreier aus der Sklaverei Ägyptens vorgestellt wird, erscheinen noch weitere Gesetze und Verordnungen. Dieser Gott der 10 Gebote fordert und schützt gerechte menschliche Beziehungen, weil nur so die geschenkte Freiheit bewahrt werden kann (Kap. 5,6-21). Diese Gebote richten sich vor allem gegen die Gier und Akkumulation des Geldes: „Giere nicht nach dem Partner oder der Partnerin anderer. Giere nicht nach dem Haus anderer, weder nach ihrem Feld, ihren Sklaven, ihren Sklavinnen, noch ihren Rindern, Eseln oder irgendetwas, was ihnen gehört“ (5,21).
Das 5. Buch Mose setzt zwar schon die Geldwirtschaft voraus (5. Mose 14,24-26), korrigiert aber alle destruktiven Formen und Konsequenzen der Geld-Privateigentum-
Wirtschaft.[3] Eine dieser Maßnahme ist das Zins- und Pfandverbot wie auch die Abschaffung des Zehnten für Königshof und Tempel. Stattdessen dient nun der Zehnte einem jährlichen Volksfest sowie Sozialleistungen für die Gemeinschaftsmitglieder, die kein Land für ihre Subsistenz besitzen wie die Leviten, Witwen und Waisen (5. Mose 14,22-29). Auch müssen die Bauern auf dem Felde noch Gaben für die Armen übrig lassen (5. Mose 24,19). Und wenn jemand in Schuld fällt, wird diese nach 7 Jahren im Sabbatjahr erlassen. Ebenso müssen dann die Schuldsklaven entlassen werden und erhalten ein Startkapital für ihr neues Leben. Die Verheißung heißt: Wenn das Volk diesen Anweisungen folgt, dann wird es keine Armen im Volk mehr geben (5. Mose 15,4). Der Alttestamentler Frank Crüsemann bezeichnet diese Gesetze als die „ersten Sozialgesetze der Weltgeschichte“[4].
Interessant ist nun, dass im 3. Buch Mose zu späterer Zeit im sogenannten „Heiligkeitsgesetz“ die theologische Begründung erfolgt, wenn Gott sagt: „Das Land darf nicht unwiderruflich verkauft werden, denn mir gehört das Land, und ihr seid Fremde und Leute mit Bleiberecht bei mir“ (3. Mose 25,23).
Weil die Erde Gott gehört, dürfen die Menschen das Land nicht zum absolutem Eigentum und damit zur Ware (Handelsobjekt) machen. Ulrich Duchrow sagt: „Ökonomisch bedeutet dies, dass das Land nur als Gebrauchseigentum genutzt werden darf, um es als Lebensgrundlage weiterzugeben (römisch patrimonium, nicht dominum). Land darf nicht zum Geldakkumulieren auf Quantität, noch Tauschwert berechnet, reduziert werden. Auf dieser Grundlage kann es eine Wirtschaft geben, durch die alle genug zum Leben haben (vgl. Ex. 16, die ‚Manna-Ökonomie‘)“[5].
Als später die Ökonomie der Gier und der Eroberung in den hellenistischen Reichen totalitär wurde, gehen die jüdischen Frommen in den Untergrund und organisieren mit apokalyptischen Texten gewaltfreien Widerstand in der Hoffnung, dass nun Gott selbst interveniert. Nach Ulrich Duchrow ist der klassische Text dieser Phase das Buch Daniel. Im 3. Kapitel steht die Erzählung von den drei jüdischen Männern, die sich verweigern, vor der Statue des Kaisers niederzuknien und sie anzubeten. Im 7. Kapitel bringt die Vision, dass die Imperien (Großreiche) in Gestalt gieriger Raubtiere durch eine Figur überwunden werden, die „wie ein Mensch“ aussieht. Das bedeutet: Das Menschliche als Bild Gottes wird alles Totalitäre und die Imperien überwinden. Das ist die Hoffnung, aus der der hartnäckige Widerstand der frommen Juden (Chassidim) wächst.
2. Die politische Ökonomie im Neuen Testament
In dieser prophetischen Situation des Buches Daniel sieht sich Jesus und seine Nachfolge-Bewegung bis in die Zeit der frühen Kirche hinein als eine neue messianische Gemeinschaft. Das Neue ist, dass Jesus die von Daniel gebrachte neue herrschaftsfreie Ordnung Gottes mit seinem Kommen angebrochen sieht („Das Reich Gottes ist genaht“ (Mark. 1,15). Jesus verkündet, dass nun die Leidenden , die Armen und Ausgeschlossenen die ersten Subjekte dieser neuen Ordnung werden. Damit stellt er die imperiale Ordnung auf den Kopf, denn die Ersten werden die Letzten und die Letzten die Ersten sein. Jesus inspiriert durch sein Reden und Tun zum Vertrauen in Gottes Fürsorge, die die äußere und innere Herrschaft des Götzen Mammon bricht. Mammon ist der Götze des Schätzesammelns und der Akkumulation von Geld und Vermögen. Ganz unzweideutig spricht Jesus: „Sucht hingegen zuerst die Welt und die Gerechtigkeit Gottes und dies alles wird euch dazugeschenkt werden“ (Matth. 6,33). Auf dieser positiven Glaubensbasis fordert er die Leute heraus: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld“ (Matth. 6,24). Mit dem Begriff „Gott oder Mammon“ bringt Jesus die Entscheidungsfrage der geldgetriebenen Zivilisation auf den Punkt, der man nicht mehr ausweichen kann.
Damit aber befreit Jesus nicht nur die Armen dazu, ihr eigenes Leben zu ändern und gemeinsam neue Gemeinschaften der Solidarität zu bauen. Er agiert auch direkt politisch im Blick auf die herrschenden Institutionen. Er schließt sich nicht den Guerillakämpfern gegen die römische Besatzung an. Er sucht vielmehr eine wirksame Strategie, um den Kreislauf der Gewalt und Ausbeutung zu stoppen. Er wählt deshalb den Weg der direkten gewaltfreien Aktion. Ein zentrales Beispiel ist dafür die „Tempelreinigung“ (Mk. 11,15-19), die Auseinandersetzung mit den priesterlichen Kollaborateuren der Römer.[6] Denn der Tempel in Jerusalem war zur damaligen Zeit das ökonomische Zentrum (Zentralbank) Judäas und zugleich das Zentrum des Handelns und aller Arten von Markttransaktionen. Dies alles war verbunden mit einem Opfersystem, das die Armen ausbeutete. Jesus stellt mit der „Tempelreinigung“ die zentrale Frage, die bis heute gilt: Welcher Gott soll bei euch regieren? – Der Gott der Ausbeutung, der Unterdrückung, Verarmung und Ausschließung oder der biblische Gott, der die Armen schützt und befreit, der Gerechtigkeit und nicht Opfer will. Hier fußt Jesus ganz auf dem Propheten Amos: „An euren Speiseopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an“ (Amos 6,22), denn „Gerechtigkeit ströme wie ein nie versiegender Bach.“
So greift Jesus zuerst die Leute an, die die Armen mit dem monetären System schädigen, die Geldwechsler. Zum anderen greift er auch die an, die vom Marktsystem profitieren. Schließlich stoppt er das ganze Opfergeschäft durch eine symbolische Aktion.
Ein Schlüsseltext von Gottes und Jesu Identifikation mit den durch wirtschaftliche Ungerechtigkeit Verarmten ist das Gleichnis vom Weltgericht (Matth. 25,31-46). Hier werden die Opfer des Systems, das sind die Hungrigen und Durstigen zum Kriterium des Endgerichts, woran alle Personen und Völker gemessen werden. Der Richter ist auch in diesem Gleichnis der Menschliche, der uns im 7. Kapitel des Buches Daniel schon begegnete. Ulrich Duchrow sagt: „Dieser Text ist zentral für die interreligiöse Solidarität für Gerechtigkeit. Denn die Gerichteten werden nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit gerichtet, sondern danach, wie sie für die Grundbedürfnisse derer gearbeitet haben, mit denen sich Jesus identifiziert.“[7]
In der Urgemeinde, der frühen Kirche, folgten die Christen dieser Regel und bildeten solche messianischen Gemeinschaften von gegenseitiger Solidarität. In der Apostelgeschichte (4,32-35) wird berichtet, wie freiwillig Eigentum geteilt wurde, speziell von denen, die Land und Häuser hatten. Dieses Ausgleichen der menschlichen Beziehungen untereinander innerhalb der Gemeinde wird als Erfüllung der Tora verstanden, wie es 5.Mose 15,4 heißt: „Und es gab keine Armen unter ihnen.“
Da aber in den einzelnen Gemeinden es nicht immer konfliktfrei zuging, fügt Paulus noch zwei wichtige Einsichten hinzu. Er macht klar, dass die Vernunft auch von der Gier in Besitz genommen werden kann, vor der sich die Gemeindeglieder hüten sollten. So schreibt er im 1. Korintherbrief (Kap. 1,18-31), dass diejenige Vernunft als verrückt zu betrachten ist, die sich an der Weisheit im Dienst der Starken, Reichen und Mächtigen orientiert. Für Paulus ist die Vernunft nur wahre Weisheit, wenn sie sich an den Schwachen, Verwundbaren und Verachteten orientiert.
Die andere Erkenntnis von Paulus ist, dass auch Gesetze und Ordnungen, die eigentlich dem Leben in Gemeinschaft dienen sollen auch von Gier bestimmt werden können (Röm. 6 und 7). In diesem Fall tötet das Gesetz, weil es gegen das Zusammenleben in gerechten Beziehungen wirkt und angewendet wird. Deshalb muss das oberste Kriterium für die Anwendung eines Gesetzes oder Ordnung die Liebe und Solidarität sein. Heute merken wir die Wahrheit dieser Weisheit. Wenn z. B. ein Gesetz, dass Schulden zurückgezahlt werden müssen, absolut gemacht wird, kann es Hunger produzieren und selbst tödlich sein, wie wir es augenblicklich von den Strukturanpassungsprogrammen des IWF im globalen Süden und der EU gegenüber Schulden-Staaten erleben.
So kann man die zentrale Botschaft der Bibel in Bezug auf das Leiden an ungerechter Wirtschaft so zusammenfassen, wie es Ulrich Duchrow in Kurzform sagt: „Der biblische Gott und Jesus identifizieren sich mit den verarmten und unterdrückten Menschen. Deshalb ist Gerechtigkeit in den Herzen der Gott vertrauenden Menschen und Gerechtigkeit in den Gemeinschaftsbeziehungen und -institutionen der zentrale Beitrag der biblischen Traditionen zu interreligiöser Solidarität zur Überwindung des Leidens.“[8] Was besagt das für uns?
3. Konsequenzen
Wir Christen müssen zuerst verstärkt den ökumenischen Dialog mit anderen Konfessionen vor Ort zum Thema „Leben in gerechten Beziehungen“ suchen, einüben und zu gemeinsamen Handlungsschritten kommen wie es im Ökumenischen Rat schon geübt wird. Zum anderen müssen wir den Schritt wagen mit anderen Weltreligionen wie dem Judentum, dem Buddhismus und dem Konfuzianismus und sogar mit dem Islam Gemeinsamkeiten herausarbeiten, die in ihren heiligen Schriften aufzeigen, wie man in gerechten Beziehungen leben kann und universale Solidarität möglich ist. So gibt es seit Jahren z. B. den Friedensweg der Religionen in Erlangen und anderen Orten. Ich selbst habe mit den wichtigsten Islamwissenschaftlern in Deutschland in der Moschee von Buggingen bei Mühlheim-Hochschwazwald schon am 21.2. 2011 diskutiert und dort den Vortrag gehalten „Finanz- und Bankenkrise – Islamisches Investment: ein Vorbild und ein Schutz vor neuen Krisen?“[9] Zugleich ist hinzuweisen auf den buddhistischen Ökonomen Karl-Heinz Brodbeck[10] und andere Autoren. Vor allem aber geht es darum, dass man mit anderen Menschen der Zivilgesellschaft Ausschau nach einer Realutopie alternativen Wirtschaftens hält und gemeinsam Projekte gerechten Zusammenlebens einübt. Denn die Tendenzen der Zerstörung der Erde rufen heute alle Religionen (wie im 8. – 6. Jh. v. Chr.) dazu auf, sich zu verbünden und mithilfe ihrer Schöpfungsreligiosität die Schöpfung als heilig anzusehen und zu schützen. So können sie die religiöse Pluralität feiern als eine Gabe an die Menschheit und sich dabei gegenseitig zu ihrer unverwechselbaren Identität ermutigen. So darf die Erde nicht zur Ware werden sondern sie bleibt Gabe und Geschenk Gottes. In diesen neuen Aufbrüchen steckt die Vision einer befreiungstheologischen Ökumene der Religionen , die wieder aus ihren Ursprüngen lebt und die Welt verändern kann, in der Platz für alle ist und alle eine Lebensgrundlage in Harmonie mit der Natur haben. Hauptschwerpunkt ist die Transformation der Geld- und Eigentumsordnung. Die „Entgierung des Geldes“ spielt dabei eine bedeutende Rolle, denn das Geld muss von einer Ware, mit der man mehr Geld produziert, zu einem Instrument für bedarfsbezogenes, reales Wirtschaften werden. Zugleich muss die Eigentumsordnung verändert werden, wenn das neue Lebensparadigma „Gemeingut der Menschheit“ heißt.
Privateigentum müsste in vielfältige Formen von Nutzungseigentum verwandelt werden, denn Eigentum muss so organisiert werden, dass es dem Gemeingut dient und nicht den grenzenlosen Wünschen privater Geldbesitzer. Diese Umwandlung von Privateigentum zur Gemeinwohl-Ökonomie hat zugleich positive ökologische Folgen, die keinen Wachstumszwang entstehen lassen. Zu verweisen ist hier auf Christian Felbers Gemeinwohlökonomie[11] als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Da aber Strukturveränderungen nur möglich sind, wenn die Veränderer einen langen Atem der Hoffnung haben, sind Glaubensgemeinschaften als Basisträger notwendig. „Sie können mitten im Kampf gemeinsame Orte und Gelegenheiten des meditativen Atemschöpfens, des Feierns und der Freude schaffen. Die neue Kultur des Lebens in gelingenden Beziehungen lebt aus der Spiritualität des Unverfügbaren, des Geschenks, im Gegensatz zur Zivilisation und manipulativen Spiritualität des gierigen Geldes“, sagt Ulrich Duchrow.[12] Diese Hoffnung gilt es wachzuhalten und zu leben.
Christoph Körner
[1]Vgl.: Graeber, David: Schulden: Die ersten 5000 Jahre, Stuttgart 2012;
Scheidler, Fabian: Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation, Wien 2015
Duchrow, Ulrich: Gieriges Geld: Auswege aus der Kapitalismusfalle – Befreiungstheologische Perspektiven, München 2013
[2]Hier folge ich weithin den Ausführungen von Ulrich Duchrow in seinem Artikel: „Palästina/Israel als Beispiel von kolonialistischem Kapitalismus in theologischer Perspektive“ in: Ulrich Duchrow, Hans G. Ulrich (Hg): Religionen für Gerechtigkeit in Palästina/Israel. 2. Auflage Otterstadt/Speyer 2019, S. 199-205).
[3]„privat“ kommt vom lat. „privare“ und heißt „berauben“
[4]Crüsemann, Frank: Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992
[5]Duchrow, Ulrich: Palästina/Israel… ebd. S. 202
[6]Vgl. Körner, Christoph: Die unterdrückende Religion des Geldes oder Die befreiende Religion des Reiches Gottes im Wirken Jesu“ in: ders. Christliche Sozialökonomie. Auf dem Weg zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Zell a. Main 2017, S. 157-166
[7]Duchrow, Ulrich: Palästina/Israel… ebd. S. 204
[8]Ebd. S. 204f.
[9]s. auch Geitmann, Roland: Natürliche Wirtschaftsordnung und Islam; in: Geitmann, Roland: Sozialökonomische Weisheitsschätze der Religionen, Zell am Main 2016 S.148–156
[10]Brodbeck, Karl-Heinz: Die Herrschaft des Geldes: Geschichte und Systematik , 2011
[11]Felber, Christian: Gemeinwohl-Ökonomie, Die Gemeinwohl-Ökonomie Taschenbuch , 2018
[12]Duchrow, Gieriges Geld a.a.O. S. 262