Die Kunst, den Dialog zu fördern …

Reden wir über die RICHTIGE Fragen zuerst …

Das Forum Seitenstetten ist für mich eine Chance Brücken zu bauen, eine Brücke zwischen Menschen, die das Gleiche wollen und dennoch nicht zueinander finden. Bedingungsloses Grundeinkommen, Vollgeld, Schwundgeld, CO-sozial-freundliche CO2-Steuer, Bankenreform, Monetative, Denzentralisierung, Zentralisiertung… viele Stichworte schwirren im Raum der Möglichkeiten. Diese widersrpechen sich teilweise oder aber können Hand in Hand gehen.

Die meisten Aktivistinnen und Aktivisten bzw. engagierte Personen stehen gewissen Lösungsoptionen näher als anderen Ansätzen. Treffen diese nun aufeinander, kommt es leider oft zu Reibung und Konflikten: Die “eigene” Lösung wird verteidigt, die Lösung des anderen nach potenziellen Schwachstellen kritisch hinterfragt. Der Konflikt ist vorprogrammiert.

Nun wissen wir aus dem dem Systemischen Denken, dass es in komplexen Systemen nicht möglich ist exakt vorauszusagen, welche Auswirkungen die Änderung einer Variablen auf das komplette System hat. Wir wissen also nicht, welche Auswirkung z.B. die Einführung von Vollgeld in einem Land oder in einer Gruppe von Ländern haben wird, da selbst ausgeklügelte Computermodelle immer nur eine Vereinfachung der Realität sind.

Fragen vor Antworten als friedensschaffendes Element im Dialog

Daniel Christian Wahl schlägt deshalb in seinem Buch Designing Regenrative Cultures (dt. Regenerative Kulturen entwerfen) vor, sich auf die Fragen, also auf die Fragestellung selbst, zu konzentrieren, und zu akzeptieren, dass es viele mögliche Antworten auf eine Frage geben kann. Während sich also die meisten engagierten Personen in “der Szene” einige sind, dass es Zeit sei für eine Reform, sind die Fronten bei der Antwortsuche auf die Frage, was denn nun die Lösung sei, oft verhärtet.

Ich hoffe hier nun, im Rahmen unseres Forums die folgenden Fragen mit den teilnehmenden Expertinnen und Experten näher erläutern zu können und durch diesen Prozess das gegenseitige Verständnis besser aufklären zu können:

  • Welche Elemente des momentanen Finanz- und Wirtschafstsystems sind kritisch zu sehen?
  • Welche Lösungsvorschläge gibt es? Wo gibt es Syngergien und Diskrepanzen zwischen den Lösungen?
  • Welche Weltbilder erschweren einen Dialog zwischen den Lösungen? Wie kann das Forum helfen, hier Brücken zu bauen?

Schaffen wir es, 3 Horizonte in Seitenstetten zu vereinen?

Ein möglicher Grund für Konflikte unter den Akteuren, die sich alle für ein neues Finanzsystem einsetzen, ist, dass man über Lösungen auf drei zeitlich unterschiedlichen Horizonten diskutiert. Das International Futures Forum erläutert diese Diskrepanz mit dem sogenannten “3 Horizonte Modell”, das auch wir hier anwenden. Denn wir meinen, dass dieses Modell helfen kann, die unterschiedlichen Betrachtungsweisen in einen Kontext zu bringen. Und damit hoffen wir, Brücken zwischen den Ideen der verschiedenen Horizonten zu bauen:

3 Horizonte Modell nach IFF (eigene Darstellung)

In aller Kürze: Im ersten Horizont – der Sichtweise des Managers – wird das jetzige System vertreten, weil er beobachtet, dass es das ist, was unsere Gesellschaft jetzt im Moment funktionieren lässt. Würden wir die Elemente wegnehmen, dann bräche das Chaos aus. Dennoch ist auch klar, dass die Lösungen von Gestern/Heute für Morgen nicht mehr passend sein könnten. Auf dieser Ebene diskutieren wir in unserem Kontext etwa, wie Details für eine Bankenrettung aussehen könnte oder CUM-EX-Geschäfte rechtlich legal sind oder unterbunden gehören.

Dem dritte Horizont – der Sichtweise des Visionärs – liegen komplett veränderte Werte zugrunde. Prioritäten und Lösungsansätze werden radikal in Frage gestellt. Die Lösungen gehen von einem totalen Paradigmenwechsel, anderen Werten und neuen Institutionen aus. In unserem Setting betrifft dies z.B. Visionen wie eine Geschenkökonomie, in der sich die Menschheit vom Geld komplett befreit hat oder aber auch der Ansatz, den GRADIDO verfolgt.

Der zweite Horizont ist nun die Sichtweise des Entrepreneurs. Das Areal also, in dem Innovation probiert wird und man sich einen Schritt weit in Richtung Horizont 3 wagt, aber noch in den Spielregeln von Horizont 1 verankert ist.

Unterschiede: trennen sie oder verbinden sie uns?

Alle drei Sichtweisen haben ihre Daseinsberechtigung: Der Manager aus Horizont 1 stellt sicher, dass uns das momentane System nicht unter den Füßen wegbricht und hat verstanden, dass wir als Gesellschaft in dem Fall nicht fähig wären weitere Schritte zu gehen. Der Visionär hingegen hat verstanden, dass das momentane System (wie alle Systeme zu jeder Zeit) in einer Phase des Sterbens oder Zurückziehens ist und entwirft Alternativen, während der Entrepreneneur eher die Brücken zwischen beiden Horizonten schlägt.

Basierend auf IFF (Sharpe, Hodgson) eigene Darstellung

Das Konfliktpotenzial in einem Dialog rund um einer Erneuerung des Geldsystems liegt nur darin, dass die beteiligten Akteure dieser verschiedenen Horizonte sich der zeitlich unterschiedlichen Dimensionen nicht aktiv bewusst sind. Als Ergebnis stuft der Manager die Ansichten des Entrepreneurs als zu riskant ein bzw. die des Visionärs als irrelevant, utopisch oder absolut abgehoben. Der Visionär hingegen hält die Diskussionen des Managers für völlig irrelevant weil veraltet und die des Entrepreneurs für einen mehr oder weniger guten Kompromiss. Der Entrepreneur wiederum sieht die Strukturen des Managers als hinderlich und die Visionen des Visionärs für unpraktisch bzw. umrealisierbar.

Als Moderator und Dialoggestalter – und als solcher sieht sich das Forum Seitenstetten – können wir jedoch auch auf die positven Verstärkungen zwischen den Weltbildern hinweisen:

Basierend auf IFF (Sharpe, Hodgson) eigene Darstellung

Schließlich ist auch der Visionär und seine Version in H1 verwurzelt und kann die Vision dem Manager Hoffnung geben. Die Visionäre können die Entrepreneure als Allierte stärken, wenn sie verstehen, dass diese eine wichtigen Zwischenschritt zur Verwirklichung ihrer Vision darstellen. Und die sogenannten Changemaker können sich von den Visionen aus H3 Inspiration holen. Gleichwohl bietet H2 dem Manager Ideen und H1 dem Entrepreneur Unterstützung. Uvm.

Für einen erfolgreiche Weiterentwicklung eines Systems – einen sogenannten Paradigmenwechsel – braucht es einerseits starke Visionen (also H2 Lösungen die Richtung H3 weisen und nicht eine leichte Abänderung einer H1 Lösung sind) und gleichzeitig Entscheidungstragende in H1, die offen sind und H2 Lösungen zuzulassen.

Meine Hoffnung für das Forum Seitenstetten?

Ich hoffe, dass wir mit dem Forum Seitenstetten unseren Teil dazu beitragen, den Dialog zwischen den verschiedenen Weltbildern zu fördern, sodass wir am Ende eine fließende Transformation zu einer neuen besseren Welt mitgestalten können.

3 Gedanken zu „Die Kunst, den Dialog zu fördern …

  1. Liebe Inge!
    Danke vielmals für deine präzise Analyse! Genau um das geht es mir, alle Daten, Fakten, Zahlen auf den Tisch legen und daraus ein gemeinsames “Vordenken” zulassen, ohne das eigene verlassen zu müssen. Wir sind alle Mitdenkende (Visionäre) wir wollen Verbesserungen schaffen (das ist der Grund unseres da seins), warum weil das jetzige anscheinend nicht so richtig stimmig ist! Oder passt eh alles? Wenn wir jedoch mit Änderungen im gleichen System, ein anderes Ergebnis erwarten, werden wir enttäuscht werden.

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