DIE WELTFRIEDENSINITIATIVE DER UNIONSBÜRGERSCHAFT

Europa im Weltkonflikt

Joseph Weiler, führender Experte für europäisches Recht, warnte Europa 2006 (DerStandard, 28. 4. 2006), es würde, im Kampf mit sich, Selbstmord begehen.

Unter dem Eindruck dieser Aussicht auf ein kollektives Versagen fühlen wir als Unionsbürger die Pflicht, an der Lösung des europäischen Weltkonflikts mitzuwirken. Unsere Mittel sind nicht militärischer Art, wir setzen auf Kapazitäten semantischer Interventionen, die der Idee des europäischen Menschentums und dem Bewusstsein der Freiheit entstammen. Der Name unserer unionsbürgerlichen Bewegung benennt zugleich ihr Programm und ihren Auftrag, eben eine „Nouvelle Alliance“, einen Dialog von Mensch zu Mensch als Ausdruck einer wahrheitsorientierten Erkenntniskultur zu initiieren. Dass Menschen dialogfähig und zur produktiven Verständigung in ungetrübter Atmosphäre bereit sind, betrachten wir als Grundprinzip von Kultur und Gesellschaft; ein Ausgleich zwischen westlicher und östlicher Weltgegensätzlichkeit ist von höchster Bedeutung. Unsere Intervention setzt auf die Verständigung Europas mit Asien, auf den Ausbau einer „Seidenstraße der Kultur und der Begegnung“. Den Frieden in der Welt zu erwirken und zu bewahren: Das ist die Mission Europas, der weltgeschichtliche Auftrag und die geistige Bestimmung. Im Weltkrieg verliert Europa seine Existenz, im Weltfrieden wird sie neu geschaffen.

Ein Gottesbeweis wird Realität

Der 1914 begonnene und nun in seine Endphase getriebene „Krieg um die Welt“ stellt sich in der Hauptsache als Folge einer zivilisatorischen Erkrankung dar, die mit der zweifachen Diagnose eines „Verdrängten Humanismus“ und einer „Verweigerten Aufklärung“ zu charakterisieren ist. Die derart diagnostizierten symptomatischen Erscheinungen werden von Erwartungen nicht endender Steigerungsmöglichkeiten und unbegrenzten Wachstums an Macht und Vermögen hervorgerufen. Ein „Urvirus“ löscht im Denken das Bewusstsein, Mensch zu sein, zugunsten des Wirkens einer überpersönlichen, extrahumanen systemischen Intelligenz, die von dem Zwang bestimmt ist, alles auszumachen, was stets über das Erreichte hinausgeht. Dieses Prinzip der unbegrenzten Steigerung wird in dem „unum argumentum“ des „ontologischen Gottesbeweises“ Anselms von Canterbury erfasst. Er meinte, die Existenz Gottes sei mit der Formel „Gott ist das, über das hinaus Größeres nicht einmal gedacht werden kann.“ beweisbar.

Das fiat-Profitprinzip und die Notwendigkeit einer Benefitkultur

Der zur „Neuen Weltordnung“ hin gedrängte Weltprozess erscheint in diese Art eines Gottesbeweises hineingezogen, indem das „Göttliche“ im Vereinnahmen und Verwerten des Geschaffenen durch das fiat-Profitprinzip seine negative, abbauende Existenz offenbart; fiktive Werte werden angehäuft und zu destruktiven Werkzeugen der Bemächtigung funktionalisiert, die das Weltganze in Besitz zu nehmen gebietet. Die den euratlantisch–eurasischen Konflikt befeuernde „Neue Weltordnung“ etabliert sich gleichsam als Ausfluss eines unerbittlichen omnipotenten göttlichen Willens, den die Verwalter der monotheistischen Hochreligion des monetären Systems erfüllen.In der nun durchzustehenden Endphase des 1914 begonnenen 100-jährigen „Kriegs um die Welt“ geht es darum, die fortschreitende Realisierung des Geld-Gottesbeweises zu beenden und durch das aufbauende, belebende Benefitprinzip des Geld- und Finanzwesens zu ersetzen.

Der zum Selbstmord Europas führende Kriegszustand ist aus einem reflexiven therapeutischen Verhältnis der Menschen zu ihren eigenen Lebenswelten in Formen vielfacher Zusammenarbeit überzuführen, die Frieden schaffende Strukturen, ausgehend von Personen und Gemeinden, über Regionen und Länder bis zur globalen, internationalen Ebene mithilfe des Medienwesens entwickeln.

Zivilgesellschaft und Universitas

Es ist dem Souverän, den „Regierten“, den Bürgerschaften, aufgegeben, diese Änderungen in den Tiefenstrukturen der zivilisationsbildenden Momente zu bewirken. Ihrer „Macht“, ihrer Willensbildung obliegt es, die notwendigen Umwälzungen gegen die Absichten der „Regierenden“ vorzunehmen.

Die Initiative zu einer Friedenslösung für die Ukraine eröffnet eine neue Phase der europäischen Integration, die von den Bürgerschaften ausgeht; den Regierenden sind die Möglichkeiten zu entziehen, gegen den Willen der Mehrheiten den Populationen Kriege und Zivilisationsbrüche durch den Missbrauch nationaler und globaler Institutionen aufzuzwingen.

Weltstaat oder „Denken, Ordnen, Gestalten“

Mit der geisteswissenschaftlich-philosophischen Decodierung des Programms der „Neuen Weltordnung“ als Zwangsreligion zur Anerkenntnis der Allmacht des monetären Gotteswesens ist ein Sieg des denkenden Bewusstseins über die pragmatistisch operierende Intentionalität errungen; zugleich erscheinen die moralischen Erkenntnisquellen und deren wissenschaftlichen Relevanzen erschlossen; eine den verkehrten, verdorbenen Rechtsverhältnissen übergeordnete Instanz ist eingesetzt. Im wahrheitlichen Begreifen des Erkenntnisgeschehens als je individuelle, kommunikativ vermittelte gemeinsame Erfahrung der Welt gestalten Menschen ihre unzerstörbare Einheit und ihren gegenseitigen Frieden. Menschen formen als Erkenntniswesen“ aus dem Bewusstsein ihrer Freiheit ihre „Universitas“; in der individuellen Tiefenstruktur des Erkenntnisgeschehens entdecken sie den Einheitspunkt ihres kosmopolitischen Menschseins; aus den dialogisch eingegangenen Wahrheitsverhältnissen entfaltet sich die Weltgemeinschaft aus den Kräften von Denken, Ordnen und Gestalten als globale, freie Gemeingesellschaft; den Kriegen folgen freie Initiativen kultureller Gestaltung in der Allianz von Zivilgesellschaft und Universität als des neuen Akteurs auf der Bühne des Weltgeschehens. Der „Weltstaat“ der „Neuen Weltordnung“ zerfällt, die Utopien einer digitalen Zivilisation dominanter intelligenter Automaten weichen den Lebensformen einer kreativen Erkenntnisgesellschaft. Je mehr deren Praxisgestalt durch den Eintritt der einzelnen in die weltgeschichtliche Verantwortung Leben gewinnt, desto weniger Opfer und Leiden werden den Menschen auferlegt und abgefordert werden.

Der Siegeszug eines neuen anthropologischen Ideals gegen „nüchternes Machtdenken“

In der Besinnung auf die Axiome der Menschlichkeit stärken sich die Abwehrkräfte gegen die weiterhin herrschende menschenfeindliche Haltung im politischen Handeln „aus Interessen“, wie sie prototypisch in der Policy Planning Study 23 (PPS/23) vom 28. Februar 1948 einbekannt wird: „Wir besitzen etwa 50 % des Reichtums dieser Welt, stellen aber nur 6,3 % seiner Bevölkerung. Dieser Unterschied ist im Verhältnis zwischen uns und den Völkern Asiens besonders groß. In einer solchen Situation kommen wir nicht umhin, Neid und Missgunst auf uns zu lenken. Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eine Form von Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten. Um das zu erreichen, werden wir auf alle Sentimentalitäten und Tagträumereien verzichten müssen; und wir werden unsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalen Vorhaben konzentrieren müssen. Wir dürfen uns nicht vormachen, dass wir uns heute den Luxus von Altruismus und Weltbeglückung leisten konnten…

“[…] Wir sollten aufhören von vagen — und für den Fernen Osten — unrealistischen Zielen wie Men-
schenrechten, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr
fern, an dem unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss. Je weniger wir dann von
idealistischen Parolen behindert werden, desto besser.“

Auszug aus der Policy Planning Study, Kapitel VII. Far East, Seite 524 zit. nach Wikipedia: Grand Area

György Konrád rät dem 21. Jahrhundert, an die Stelle des Militärischen das Kunstwerk zivilen Gestaltens zu setzen:

„Ein kriegerisches Jahrtausend verlassend, könnten wir eine utopische Hoffnung hegen, daß nämlich der Mensch des dritten Jahrtausends der eigenen starren und argwöhnisch feindseligen Denkweise überdrüssig werden und flexibles, verständnisvolles, Brücken bauendes, abenteuer- und dialogbereites Denken höher schätzen könnte. Der Krieger verschwindet von der Tagesordnung, es kommt der Spieler, der Mensch der Phantasie, es kommen die Künstler der verschiedenen Berufe, die das jenseits des Bürgers Befindliche mit dem Bürgerlichen vereinen. Am Ende des zweiten Jahrtausends begibt sich ein neues anthropologisches Ideal auf den Siegeszug, das Ideal des dienenden Soldaten wird abgelöst vom Ideal des denkenden, initiativen, verantwortungsvollen, zivilen Spielleiters.“

aus: György Konrád, „Die europäische Nation als Aufgabe der Zukunft“, Eröffnungsrede zum „Internationalen Schriftstellertreffen Berlin“ am 3. 12.1998 im Haus der Kulturen der Welt, Der Tagesspiegel, 6. 12. 1998, Seite W 3

Mythus und Logos, Mythen als Waffen

Aus dem Vollbegriff der „Universitas“ (als Hinwendung, „versitas“ zu dem Einen, „unum“, der Erkenntnis) als der Weltbürgergemeinschaft erwächst den Universitäten, Akademien, Hochschulen und verwandten Einrichtungen die Bestimmung, Orte des Erkenntnis-gegründeten Zusammenwachsens der Menschheit aus ihren sich bekämpfenden Besonderungen zu Kulturengemeinschaften und Zivilisationsgestaltungen zu bilden. Als Stätten der Einübung von Rationalität und Reflexion sind sie dem Logos verpflichtet. Der Weltstaat und die Konzeption der Neuen Weltordnung sind auf Mythen und Verfehlungen im Verständnis und in der Anschauung des Menschen gebaut:

„Die neuen politischen Mythen wachsen nicht frei auf; sie sind keine wilden Früchte einer üppigen Einbildungskraft. Sie sind künstliche Dinge, von sehr geschickten und schlauen Handwerkern erzeugt. Es blieb dem zwanzigsten Jahrhundert, unserem eigenen großen technischen Zeitalter, vorbehalten, eine neue Technik des Mythus zu entwickeln. Künftig können Mythen im selben Sinne und nach denselben Methoden erzeugt werden, wie jede andere moderne Waffe wie Maschinengewehre oder Aeroplane. Das ist etwas Neues, und etwas von entscheidender Bedeutung. Es hat die ganze Form unseres sozialen Lebens geändert.“

Ernst Cassirer, Der Mythus des Staates, S. 364 f, Frankfurt 1985

Europa als Hochkultur?

Die europäische Kulturwelt erreicht in dem klaren Durchschauen der Ursprünge geostrategischer Konzepte und Operationsziele und der militärisch-imperialen Ambitionen etwa einer europäischen „Grand Area“ (James Rogers, A new geography of European Power?) und in der Distanzierung von den Vorgaben einer zentralistisch eingerichteten Weltherrschaft den Status einer Hochkultur, worin Europa nach Jürgen Habermas eine „zweite Chance“ erhält:

„Bisher hat die Weltgeschichte den auf- und absteigenden Imperien jeweils nur einen Auftritt zugebilligt. Das gilt ebenso für die Reiche der Alten Welt wie für die modernen Staaten – für Portugal, Spanien, England, Frankreich und Rußland. Als Ausnahme von der Regel fällt heute Europa als Ganzem eine zweite Chance zu. Diese Chance wird es freilich nicht mehr im Stile seiner alten Machtpolitik nutzen können, sondern nur noch unter der veränderten Prämisse einer nicht-imperialen Verständigung mit und des Lernens von anderen Kulturen.”

J. Habermas, Faktizität und Geltung. Frankfurt am Main 1993, S. 651

Der Weg der EU in die Richtung einer Eskalation der Spannungen mit Russland und China bis hin zum mancherorts prognostizierten „3. Weltkrieg“ verhindert diese „nichtimperiale Verständigung“ und vergibt die „Zweite Chance“, die Europa vor dem Untergang bewahrt.

Europa als das „Haus des Menschen“

Die Ost und West vereinigende bürgerschaftliche, zivile Lösung des Europa-Ukraine-Russland-Konfliktes ist die Voraussetzung für das Überleben Europas, denn: Die europäisch-russisch-asiatische Kulturengemeinschaft und Zivilisationsordnung ist als absolute Notwendigkeit anzusehen; entweder Untergang Europas oder eine freie, gerechte Zukunft in Gemeinwohl sichernden Politikverhältnissen. Der Krieg in der Ukraine ist als negatives Bild des wahren, geschichtlich angelegten zukünftigen Zustandes der Vereinigung der Menschheit durch Impulse zu werten, die aus der Tiefenstruktur des Menschenbewusstseins hervorgehen, in der sich Menschen als Menschen finden und begegnen, und die zukünftige kulturelle Entwicklung in Europa tragen.

Die europäisch-russisch-asiatische Friedens-Initiative

Die europäisch-russisch-asiatische Friedens-Initiative ist zugleich eine entschiedene Absage an die „Neue Weltordnung“; Europas Konzept der Weltordnung beruht nicht auf Versklavung an extrahumane Zwecke, es gründet sich auf die Idee der Freiheit und ihre Verwirklichung in einer zu den Idealen der Liberté, Égalité, Fraternité offenen Gesellschaft. Menschen wollen als Menschen leben und sich frei entwickeln, sie wollen nicht zu Ressourcenlagern wie Datenquellen umprogrammiert und zu Hörigen automatischer Subjekte dressiert werden; die Erde ist für ihre Bewohner als „Haus des Menschen“ einzurichten – Europas Mission:

„Die Krise des europäischen Daseins hat nur zwei Auswege: Den Untergang Europas in der Entfremdung gegen seinen eigenen rationalen Lebenssinn, den Verfall in Geistfeindschaft und Barbarei, oder die Wiedergeburt Europas aus dem Geiste der Philosophie durch einen den Naturalismus endgültig überwindenden Heroismus der Vernunft. Europas größte Gefahr ist die Müdigkeit. Kämpfen wir gegen diese Gefahr der Gefahren als “gute Europäer” in jener Tapferkeit, die auch einen unendlichen Kampf nicht scheut, dann wird aus dem Vernichtungsbrand des Unglaubens, dem schwelenden Feuer der Verzweiflung an der menschheitlichen Sendung des Abendlandes, aus der Asche der großen Müdigkeit der Phoenix einer neuen Lebensinnerlichkeit und Vergeistigung auferstehen, als Unterpfand einer großen und fernen Menschenzukunft: Denn der Geist allein ist unsterblich.“

Edmund Husserl, Die Krisis des europä-
ischen Menschentums und die Philosophie. Vortrag im Wiener Kulturbund am 3.10. 1935

Die Zukunft der europäischen Integration

Es ist gewiss auch das Bestreben der Europäischen Union, ein friedliches Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen. Es ist verwerflich, durch einen Krieg wie in Jugoslawien, gewachsene Strukturen einzureißen und danach auf Ruinen wieder mühsam aufzubauen. Sinnvoller ist, jetzt Zukünftiges vorwegzunehmen und das Beispiel einer Menschlichkeitsallianz zu verwirklichen, in der sich eine Weltordnung einrichtet, die nicht die Herrschaft der fiat-Profit Systems zementiert, sondern eine Zivilisation vorbereitet, die der Gestaltwerdung des menschlichen Menschen dient. Für die Europäische Union besteht die Möglichkeit, den Wahn der Vervollkommnung der Arsenale des Todes aufzugeben und das Nato-Bündnis wie das imperiale Bedürfnis in eine Welle von Entwicklungsinitiativen umzuschmelzen. Die Vereinigung Nouvelle Alliance ist angetreten, die Jahrtausende währende Epoche des Kriegs zu beenden, ehe dessen letzte Konsequenz den irdischen Lebensraum der Menschheit vernichtet.

Wir laden die Bürgerschaften zu einem konstruktiven, ideologisch unbelasteten Dialog zu den Fragen
einer gemeinsamen Zukunft auf dem irdischen Planeten ein.

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