Die Einführung von Vollgeld – ein wichtiger Schritt zur Erreichung der SDGs?

Die Vollgeldbewegung tritt dafür ein: den Geschäftsbanken die Geldschöpfungsmacht zu entziehen und diese (wieder) an die Zentralbank, im EURO-Währungsraum an die EZB, zu übertragen.

Was hat dies mit einem schonenden Umgang mit Ressourcen und mit einer Welt mit mehr Gerechtigkeit zu tun – beide zentrale Anliegen der SDG?

Vollgeld ist kein Patentrezept zur Lösung aller Probleme, gleichwohl ein unentbehrlicher Schritt. Wer diesen bescheidenen Schritt vermeiden möchte, kann es mit der Reform nicht wirklich ernst meinen oder hängt utopischen Konzepten an, die unser Handeln eher blockieren, uns jedenfalls nicht fit für die Zukunft machen.

Wenn man Menschen fragt: Woher kommt das Geld, antworten die meisten: von der Zentralbank, heute also von der EZB. Daher sieht kaum einer einen Anlass, sich für die Forderung nach Einführung von Vollgeld, also Zentralbankgeld, stark zu machen.

Die meisten wissen nicht, dass Geldschöpfung durch Geschäftsbanken geschöpft und über Kredite an das Publikum bzw. auch eigene Vermögensankäufe in Umlauf gebracht wird. Zwar steht laut Gesetz das alleinige Recht auf Geldschöpfung nur der Zentralbank zu. Tatsächlich fiel die Geldschöpfungsmacht aber an die Geschäftsbanken, weil diese zwar nicht das gesetzliche, aber doch allgemein genutzte Zahlungsmittel (Buchgeld) in Umlauf bringen. Der Grund: Die Zahlungstechnologien haben sich geändert – man zahlt heute überwiegend mit elektronischem Buchgeld. Buchgeldkonten für das Publikum führen nur Geschäftsbanken. Daher besteht über 90 % des Geldes aus Buchgeld.

Unter Vollgeldbedingungen könnten Zentralbanken der Regierung oder direkt den Bürgern und Bürgerinnen neugeschaffenes Geld (allerdings nur in der Höhe von ca. 2-3 % des Sozialprodukts jährlich) unentgeltlich zur Verfügung stellen – zu viel Geld würde zu Inflation führen, zu wenig zu Stagnation.) – Für die Wirtschaft Österreichs eine Entlastung um €5-7 Mrd. jährlich! Für den Euro-Raum ca. € 250 Milliarden, mehr als der ganze EU-Haushalt! Das vorhandene Geld (M1) wäre daher nicht schuldbelastet. Heute ist es schuldbelastet und zwingt die Wirtschaft für das vorhandene Geld in Höhe der dafür zu zahlenden Zinsen eine Mehrleistung zu erbringen.[1] Daher müssen die Wirtschaftssubjekte, die sich dieses Geld geliehen haben, eine Mehrleistung erbringen. Unter Vollgeldbedingungen würde folglich der Leistungsdruck um die Zinsen auf die vorhandenen Geldbestände (M1) geringer ausfallen. Heute „druckt“ die EZB wie wild Geld (seit der Finanzkrise € 2600 Mrd), schleust es aber in den Finanzsektor ein, was zu neuen Spekulationsblasen führt. Damit will sie das Bankensystem retten, verstärkt aber das Übel: die Hypertrophie der Finanzmärkte und spaltet damit die Gesellschaft. Fazit: Vom heutigen Schuldgeld geht ein unnötiger Wachstumszwang aus. Vollgeld würde den Wachstumszwang entschieden reduzieren.

Vollgeld ist auch viel gerechter als das jetzige Geldsystem. Keinem privaten Wirtschafts­subjekt steht die Schöpfung von Geld zu. Die Geschäftsbanken betreiben sie trotzdem. Sie haben dadurch im Vergleich zu anderen Unternehmen einen entscheidenden Vorteil. Sie stehen auch untereinander in einem sehr harten Wettbewerb, in welchem sie nur bestehen können, wenn sie ihre Bilanzsummen vergrößern. Das tun sie, indem sie Forderungstitel erwerben (etwa durch Vergabe von Krediten oder Kauf von Vermögenstiteln, darunter auch Derivaten) – und spiegelbildlich dazu das Publikum in oft unsinnige Schulden stürzen. Wenn sich die Finanzspekulationen nicht ausgehen, weil die Schulden nicht mehr bedient werden können, müssen Staat und Zentralbanken die Geschäftsbanken aufgrund ihrer wichtigen Stellung in der Gesellschaft mit astronomischen Summen – bisher mit mehreren tausenden Milliarden Euro oder Dollar – retten. Die Staaten sehen sich gezwungen, Sozialhaushalte und Infrastrukturausgaben zusammenzustreichen, ganze Regionen verarmen.

Vollgeld würde solche unsinnigen Spekulationen verhindern und zu einem viel stabileren Finanzsystem führen. Das Finanzdesaster der Jahre 2008 und folgende wäre nicht passiert.

Die Einführung von Vollgeld ist ein unauffälliger, aber sehr wirksamer Schritt zur Stabilisierung des Finanzsystems und zur Entlastung der Gesellschaft von unnötigen Ansprüchen. Die moderne Gesellschaft steht sich mit ihrem jetzigen Geldschöpfungssystem gewissermaßen selbst auf den Füßen, steht aber großen Herausforderungen gegenüber. Vollgeld würde viel Druck aus dem System nehmen und Kräfte für vernünftige Schritte freisetzen.

P.S.: Bisher hat die UNO eine Veränderung der Finanzarchitektur, darunter auch den Geldschöpfungsmechanismus, explizit nicht in ihre 17 großen Ziele aufgenommen. Es kann aber keine Rettung der Umwelt geben kann, wenn man nicht auch das „Geldsystem“ verändert. Freilich muss man es so ändern, dass es funktionsfähig bleibt. Die Einführung von Vollgeld würde die Geldfunktionen nicht außer Kraft setzen, im Gegenteil: es würde das Geldsystem viel funktionsfähiger machen. Es würde für mehr Gerechtigkeit sorgen und gefährlichen Verselbständigungstendenzen der Finanzsphäre – ihren hypertrophen Entwicklungen – entscheidend entgegenwirken, welche die große Finanzkrise auslösten.


[1] Jeder der Schulden aufnimmt, muss nicht nur den ausgeliehenen Betrag zurückzahlen, sondern ein Mehr davon.


Dr. Raimund Dietz,  Mitgründer von proVollgeld austria ist Wirtschafts­forscher und wohnt in Perchtoldsdorf bei Wien.

Er ist Autor des Buches: Geld und Schuld – eine ökonomische Theorie der Gesellschaft, 6., überarbeitete Auflage, 2018, Marburg: Metropolis-Verlag, 444 Seiten.

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