Konstruktiver Dialog am 10.April im Rahmen des Forums Seitenstetten 2021
Mitschrift: Josefa Maurer
Vorstellungsrunde
Anton: Ich möchte die Vorstellung der beiden nicht trennen, weil wir viele Gemeinsamkeiten haben. Die Schweizer Vollgeldinitiative konnte ich sehr gut mitverfolgen, jetzt bin ich sehr froh darüber, mit Maurizio sprechen zu können. Was ich bewundert habe ist, dass diese Volksabstimmung didaktisch und pädagogisch 100%ig aufbereitet war. Hier liegt eine große Fertigkeit vor, diese ganz wichtigen Dinge den Mitmenschen klarzumachen. Allein schon die Art wie präsentiert wurde, ist vorbildlich, davon können wir sehr viel lernen. Was mir an Paul so gefällt ist, dass er als Mensch mitten im Leben steht. Der Lösungsansatz ist seine Persönlichkeit, dass hier jemand arbeitet, mit dem Blick aufs Ganze. Wir finden hier den Bezug zur Ökonomie, zum Geldwesen, zur Geldreform, dann zur Philosophie, zu übergeordneten Fragen, wie: „Wie können wir das ganze Leben verstehen“. Die Webseite von Human Economie ist ein gelungener Entwurf, wir müssen ihn unterstützen, damit er einer Vielzahl von Menschen klar wird, vor allem hier in Deutschland. Ich bin ja eigentlich Österreicher, lebe hier im Exil und bewundere, wie großartig man in Südtirol arbeiten kann. Das wird bei den Deutschen noch lange, lange dauern.
Paul: Anton hat extrem großes intellektuelles Wissen. Mich hat seine Interpretation des Geldsystems fasziniert, über thermodynamische Gesetze im Körper, dass es eigentlich immer darum geht eine Einheit zu finden. Es geht darum, dass z. B. die Sauerstoffzufuhr für jede Zelle garantiert wird. Anton schreibt über das Problem, das entstehen würde, wenn ein Organ sämtlichen Sauerstoff für sich beanspruchte. Damit wäre der gesamte Organismus dem Tode geweiht. Diese Metapher finde ich für unser derzeitiges Wirtschafts- und Finanzsystem sehr treffend. Unser Finanz- und Wirtschaftssystem ist schon seit längere Zeit nahe am Kollaps. Es wird nur noch mit verschiedenen künstlichen und zum Teil illegalen Maßnahmen am Leben gehalten. Dem entsprechend braucht es ein Umdenken im Bewusstsein darüber, wie Geld- und Wirtschaftssysteme funktionieren müssten.
Paul fand Maurizio faszinierend, weil er in einer wirklich schönen, tollen, professionell aufbereiteten Initiative tätig war. Wir hatten schon die Möglichkeit mit verschiedenen Vertretern der Vollgeldinitiative dieses Wissen auch in Südtirol zu vertiefen, u. a. bei einem Kongress. Das Prinzip des Vollgelds ist, was bis 1992 in Italien zum Großteil Normalität war und dann in einer Nacht- und Nebelaktion umgewandelt wurde in eine Geldschöpfung von Privatbanken. Der nächste Schritt war dann die Zentralisierung des Geldwesens in der Europäischen Nationalbank.
Der erste Schritt, um wirklich wieder in ein Finanzsystem hineinzukommen, dass den Menschen, der Umwelt, der Erde dient, ist sicherlich die Wiedereinführung des Vollgelds. Dieses Prinzip muss erkannt und verstanden werden und aus dem heraus entstehen dann viele weitere Schritte, die auch in lokalen Kreisläufen und mit alternativen Geldsystemen kombiniert werden können.
Maurizio zu Paul: Es ist sehr schön zu sehen, was in anderen Ländern an ganz konkreten Vorhaben gedacht, wie gearbeitet und hier auch kommuniziert wird. Dies ist eine große Freude. Besonders spannend habe ich die beiden Ebenen seines Konzepts gefunden. Die eine, die ganz pragmatisch daran ansetzt, jetzt in der Coronakrise zu helfen, also den regionalen Wirtschaftskreisläufen zu helfen, sie zu stärken und auch der direkte Appell an die Politik, dass jetzt gehandelt werden muss. Wir sind jetzt in einer Krise, der Geldfluss muss stattfinden, insbesondere regional. Berücksichtigen muss man auch übergeordnete Verrechnungssysteme, die im Zusammenhang mit den lokalen Systemen dafür sorgen müssen, dass das Geld zirkuliert, die Wirtschaft in Schwung kommt. Was ich spannend fand ist die Idee, innerhalb der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen das Maximum herauszuholen und nicht zuerst zu versuchen die Gesetze zu ändern, denn dieser Weg ist sehr weit. Also einfach zu arbeiten mit dem was man hat, unsere Möglichkeiten zu nutzen um Dumpingpreisen großer Konzerne entgegenwirken wirken zu können, und auch das Bewusstsein darüber zu bilden, wie Geld funktioniert, wie es geschaffen wird und in den Umlauf kommt.
Bei Anton Winter ist das Konzept des Dialoges als Basis für die Entwicklung das A und O. Menschen müssen zusammenkommen, sich über neue Ideen austauschen, erst dann kann Entwicklung stattfinden, das fand ich sehr wertvoll. Auch die Idee, sich ein neues anthropologischen Ideal vorzustellen, den christl. Zivilisationsimpuls zu thematisieren, hat sehr, sehr viel Potenzial. Eine nicht nur appellierende, eine intervenierende Ethik mit dem Aufruf jetzt zu übersetzen in die unmittelbare Lebenspraxis, was als das Bild des idealen Menschen schon vor 2000 Jahren gedacht und aufgeschrieben wurde.
Feetbackrunde
Anton: Was Maurizio gesagt hat, freut mich immens, denn es ist ja heute sehr schwierig, über Christentum und den Jesus Christus zu reden, weil dies immer noch eingekapselt ist in Religion. Eigentlich müssten wir diesen Jesus von Nazareth als jemanden sehen, der vor 2000 Jahren etwas ganz Fundamentales kapiert hat. Er wurde als Person auf einen für uns viel zu großen Sockel gestellt, so dass er für uns eigentlich unerreichbar ist und wir nicht erleben, dass das einer von uns ist. Einer der hingekriegt hat, was wir nicht nur bewundern, sondern in uns aufnehmen sollen. Wir sollten merken, dass wir uns verändern, wandeln können, in dem wir diese Botschaft aufnehmen. Diese Botschaft, du kannst Dich verändern, du kannst dich wandeln, finde ich unerhört wichtig. In Seitenstetten hat diese Perspektive immer eine große Rolle gespielt.
Paul: Anforderungen für epochale Änderungen brauchen immer auch einen Bewusstseinsschritt der Gemeinschaft der Menschen. Dies erst ermöglicht es etwas Neues in der Gesellschaft umzusetzen. Wir fragen uns ob es vorher ein neues Bewusstsein braucht um Änderungen zu ermöglichen oder ob zuerst die „Systeme“ geändert werden müssen. Was kommt vorher und was nachher; aber es kommt wahrscheinlich alles gleichzeitig. In dieser aktuellen Krise ist die Wahrnehmung von pluralistischer Meinungsvielfalt sehr eingeschränkt. Ein Großteil der Menschen ist noch in Denkmustern, in einer bestimmten Geisteshaltung gefangen, die vielfach von bestimmten Interessensgruppen vorbestimmt werden und nur sehr selten das Gemeinwohl im Sinn haben. Und das ist eben das Spannungsfeld, die Frage, was können wir bewirken? Mehrmals die Woche frage ich mich: Welche Aktion ist sinnvoll?
Maurizio: Der Kern der Kampagne war das Ziel die Abstimmung zu gewinnen, aber auch, dass Thema bei den Akteuren ins Bewusstsein zu bringen. Wir haben einen großen Stein minimal in Bewegung gebracht. Nun wollen wir das Forum Geldpolitik noch einmal aufmachen, versuchen die Gelddiskussion zu kultivieren.
Mit Dialog wird versucht den Boden zu bereiten, so habe ich bei Anton Winter gelesen, um Wirkung entfalten zu können. Da sind wir jetzt auch einen kleinen Schritt zurück gegangen, um den Weg zu öffnen, ohne den Anspruch „wir kennen die Wahrheit“, wir suchen im Dialog mit den anderen neue Lösungen.
Welche Schritte könnten von uns gesetzt werden, um in Richtung Ausweg zu gehen?
Anton: Ich sehe eine pädagogische Aufgabe, dass wir aufklären, Bewusstsein schaffen, für die Nöte der Zeit. Und da hat jeder in seinem Umkreis erstaunliche Möglichkeiten, wenn er einmal nachdenkt, wo kann er ansetzen, mit welchen Leuten kann er sprechen, obwohl das jetzt in der Coronazeit ein wenig schwierig ist. Andererseits hat man doch vielleicht sogar verstärkt Möglichkeiten, mit dem einen oder anderen, ein vertieftes Gespräch zu führen. Wenn man das strategisch angeht, kann aus diesen Mikrodialogen allmählich etwas wachsen.
Paul: Was wir uns hier in Südtirol an konkreteren Schritten bis zu einem bestimmten Punkt ausgearbeitet haben, ist in der konkreten Umsetzung ins Stocken gekommen. Auch was wir beim 1. Talente Tauschkreis, vor 25 Jahren, in einem ganz anderen geschichtlichen und informativen Hintergrund entwickelt haben, war ein tolles, begrenztes Experiment, unter Freunden und Bekannten. Dieser Schritt, den wir jetzt angehen, bedingt für mich, dass wir eine Infrastruktur der Südtiroler Handelstreibenden nutzen, die es schon gibt. Bei diesem schon existierenden Projekt wird zum Beispiel, mit einer Karte (siehe Pauls Vorstellungsvideo in der Ideenbörse), ein kleiner Betrag im lokalen Kreislauf gehalten. Es ist ein Betrag von immerhin 4 Millionen, die auf einer Karte im lokalen Geldkreislauf bleiben. Wenn dieses Konzept weiter ausgebaut wird, im Bereich Handwerk, im Bereich Landwirtschaft, dann führt dies zu einer größeren Marktdurchdingung und bringt eine neues Bewusstsein in einem größeren Teil der Bevölkerung. Damit könnte man parallel dazu schon ein zweites Element einbauen, eine Verrechnungseinheit die außerhalb des Euro funktioniert. Diese hätte zwar noch eine Umrechnungseinheit hat von 1:1 mit dem Euro, könnte aber im Notfall auch schon selbstständig funktionieren. Die Herausforderung ist hier um einiges höher, denn es braucht ein großes Vertrauen in diese Initiative. Und das erreicht man vorwiegend über schon etablierte Systeme. Es ist meine Aufgabe, in den nächsten Monaten Kontakte mit den einzelnen Verbänden und Akteuren in diesem Bereich herzustellen. Das Zweite ist, ein tiefgreifendes Verständnis über eine akkurate Informationsarbeit zum Wirtschafts- und Finanzsystem zu erreichen.
Maurizio: Wir wollen die Erfahrungen mit der Vollgeldinitiative nutzen, daraus lernen, wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Kaufmann, der Bauer, will in erster Linie reibungslos bezahlen können. Es ist noch kein ausreichendes Bewusstsein da über die Wichtigkeit des Systems, das dahintersteckt. Das ist auch verständlich, denn es ist eine komplexe, anspruchsvolle Angelegenheit, sich das vorzustellen. Ich kann inzwischen verstehen, wenn Leute bei Straßenaktionen reserviert sind und andere Schwerpunktthemen haben, Familie und Beruf usw. Konkret versuchen wir jetzt, mit Leuten in den Dialog zu kommen, die schon Interesse haben, die bereits in etablierten Systemen drin sind, in NGOs, Verbänden. Wir suchen den Dialog mit jungen Politikern, die Symptome eines Systems sehen, das eben nicht so gut funktioniert. Da kann man andocken. Und dann ist es aus unserer Sicht ganz wichtig, die richtige Sprache zu sprechen. Ich versuche mit meinem Gesprächspartner so einzusteigen, dass ich sofort eine gewisse Synchronisation herstellen kann. Damit haben wir dann einen Anfangspunkt, wo wir uns verstehen, wo wir drauf aufbauen können, für eine Verbesserung des Systems. Es ist wichtig, nicht gleich zu viel zu wollen!!! Viele kleine Schritte können schließlich eine große Veränderung bewirken. Wenn man gedanklich zu weit weg ist, verliert man den Gesprächspartner. Es gibt dann kein zweites Gespräch mehr, was sehr schade ist. Ganz konkret versuchen wir jetzt, neben der Newsletter- und Medienarbeit mit groß gestreuten Medienmitteilungen, Gespräche mit Leuten die in etablierten Systemen eine gewisse Funktion, und auch Entscheidungskompetenzen haben in Kontakt zu treten und so wichtige strategische Partnerschaften aufzubauen. Wichtig war auch zu lernen, dass andere Menschen andere Vorstellungen haben, es braucht eine gewisse Kompromissbereitschaft, um zu sehen, es ist nicht genau was ich mir gewünscht habe, aber es geht in die richtige Richtung. Das ist gut! Momentan fehlen uns die Ressourcen, aber wenn
die Energie und die Motivation im kleineren Kreis wieder da ist, kann man natürlich wieder über eine Volksinitiative nachdenken.
Welche Maßnahme könnte man schnell und einfach selbst setzen?
Anton: Es gibt hier einen Verein, der heißt „Seminar für freiheitliche Ordnung“. Es gibt ein Publikationsorgan: „Fragen der Freiheit“. 290 Nrn sind in den letzten 65 Jahren entstanden, diese Heftchen sind eine Fundgrube für viele tolle Ideen. Ich unterrichte auch Physik und Mathematik. Was ich ganz wichtig finde ist, immer wieder über die Agenda 2030, über die 17 SDGs mit den Kindern zu sprechen. Hier können wir sagen, dass dies nichts mit kleinräumigen Interessen zu tun hat, es geht hier um ein weltweites Menschheitsinteresse. Wir haben dafür Ausstellungen gemacht in den Schulen und sind auf die Marktplätze gegangen und haben einen ganzen Tag lang darüber informiert, was diese Agenda 2030 will. Das tolle ist, dass wir damit einen vollberechtigten Anknüpfungspunkt haben, gegen den keine Regierung arbeiten wird!
Paul: Der erste Schritt hängt immer davon ab, wo eine Gruppe, wo eine Initiative steht. Wo wir stehen, kann auf unserem Video, unserer Homepage gesehen werden. Wir brauchen Vernetzung nicht nur auf der Verbandsebene, sondern mit verschiedenen Gruppen, die jetzt in Südtirol auch schon gut zu den UN- Nachhaltigkeitszielen aufgestellt sind. Es gibt die Initiative „Zukunftspakt“, Menschen, die schon offen sind und deshalb einen großen
Multiplikationsfaktor in sich bergen. Der zweite Aspekt, wie schon erwähnt, ist mit Verbänden ein konkretes Projekt auszuarbeiten. Die Voraussetzung für diesen Schritt ist eine quantitative Analyse der wirtschaftlichen Situation, in unserem Fall für Südtirol, wo wir erfassen, was das Potential von lokalen Verrechnungseinheiten wäre und wo die Möglichkeit der lokalen Wirtschaft wäre, sich autark zu bedienen. Damit könnten jene Verbände und Entscheidungsträger noch mehr dafür motiviert werden, diesen Weg zu gehen. Schon vor drei Jahren haben wir versucht die Südtiroler Landesregierung zu sensibilisieren. Damals sind wir gescheitert. Jetzt, so könnte ich mir vorstellen, durch die Krisensituation, vor der wir stehen, die enorm sein wird, dass eine größere Disponibilität da sein wird.
Maurizio: Wir haben eine schöne Erfahrung gemacht: Virtuelle Samstagsrunden mit Themenschwerpunkten. Weil es bequem ist, sich über Zoom einzuloggen, hat sich gezeigt, dass es hier sehr ambitionierte, motivierte Leute gibt, die im Miteinander neue frische Energie schöpfen, vielleicht ein Arbeitspapiere, einen Blogbeitrag schreiben, die auf Leute in deren Netzwerk zugehen, telefonieren, mit Kommunikationsarbeit das Thema am Laufen halten. Was wir hoffen ist, dass wir in der 2. Jahreshälfte einen Thementag zur Geldpolitik machen können. Es geht dabei um Fragen, welche ökologischen Auswirkungen, welche Auswirkungen auf die Ungleichheit in der Gesellschaft die heutige Geldpolitik eigentlich hat. Auch die Frage: Ist es nicht sehr wichtig, Geldpolitik in Zukunft anders zu organisieren, denn derzeit läuft sie eigentlich sämtlichen Zielen, die wir als Gesellschaft haben, entgegen.
Wir haben Politik, die sich für die Menschen einsetzt, für die Ökologie, aber wir haben auf der anderen Seite die Geldpolitik, über die niemand redet, die aber diese gesamten Bemühungen konterkariert. Es wäre unser Ziel für die 2. Jahreshälfte, vielleicht gemeinsam mit Positivmoney, mit Leuten aus der Monetative, in einer Veranstaltung, physisch oder auch als Webinare, den Gedanken anzubieten, dass es hier eine Lösung, eine Veränderung braucht.
Konkrete Hinweise, z. B. auf Internetseiten
Anton: ich würde die Homepage von HumanEconomy empfehlen, es genügt für das Erste, wenn man sich damit intensiver beschäftigt. Ich habe in Wien studiert, war sehr lange an der Uni und habe in Kreisen mitgewirkt, wo es um Universitätsorganisation ging. In den 1970iger und 80iger Jahren, konnte man hier auch noch als Student mitarbeiten. Von dieser Zeit ist mir die Frage geblieben, wie soll denn die Universität im 21. Jh. aussehen.
Die Uni ist ein Ort der Reflexion! Das ist kein Kasten, der sehr viel Geld kostet, in den nicht nur ausgewählte Persönlichkeiten hineingehen dürfen. Eigentlich müsste jeder Mensch in der Universität Mitglied sein und mitarbeiten. Mir schwebt vor, dass sich hier ein neuer Akteur formieren und der Weltgeschichte betreten könnte. Er formt sich als Allianz zwischen Universitas und Zivilgesellschaft.
Wo Menschen einen Bewusstseinsschub erleben, dort entsteht eine Wahnsinnspower. Und das ist so meine Hoffnung, über kleinste Anfänge an dieser Bewusstseinspower zu arbeiten, wo sich dann Menschen nichts mehr erzählen, sich nicht weiter ein X für ein U vormachen lassen.
Es ist entsetzlich, wie die Universitäten jetzt in dieser Krise versagen. An der Universität in Freiburg im Breisgau steht hoch oben, am Kollegiumsgebäude: „Die Wahrheit wird euch frei machen!“ Das ist so ein gigantisches Motto, auf so einer berühmten Universität. Es wäre dies eigentlich auch das Motto für unsere Arbeit für die Zukunft!
Paul: Ich sehe in unserem Bereich, bei Personen, die hier tätig sind und Aktionen setzen, den Aspekt einer intellektuellen Verarbeitung als sehr wichtig und auch die Sprache, die wir verwenden für Menschen, die sich mit diesem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben. Wie es auch schon Maurizio beschrieben hat, es ist dies eine Herausforderung. Wenn wir ins Detail gehen, passiert es, dass wir uns in unserer Welt zwar wohlfühlen, aber für die Zuhörerschaft eine Barriere aufbauen, ich bin dabei eine noch einfachere Sprache zu verwenden. Hilfreich ist, wenn man etwas Konkretes hat, dass man auch geben kann. Z. B., wenn wir mit Gutscheinsystem realisieren, solche Gutscheine drucken, kostenlos in der Bevölkerung verteilen. Man kann dann auch bitten, dass Interessierte sich dann in den Betrieben, in denen sie diese Gutsscheine einlösen, auch (in die Organisation) einschreiben. Ich sehe in dieser Situation die größte Chance. Vor 2, 3 Jahren waren die Menschen noch zu sehr in ihrem Hamsterrad beschäftigt. Diese historische Zeit hat zumindest bei einem Teil der Bevölkerung Zeit zum Nachdenken gebracht. Ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung könnte jetzt erkennen, dass es jetzt einen Handlungsbedarf gibt. Hier auch noch einmal mein Komplement der Vollgeldinitiative Schweiz, sie ist voll aufbereitet, von den Inhalten, den Unterstützenden, Kompetenzen, Experten her. Sie hat gemacht, was leider nur, oder eben vorwiegend in der Schweiz möglich ist, in der direkten Demokratie. Eure Initiative kann man als Paradebeispiel hernehmen, dafür, wie man in der Gesellschaft ein Thema kommuniziert, wie man es aufbereiten, professionell rüberbringen kann, welche Netzwerke es braucht, um so was zu machen und welche neuen Ideen hier noch integriert werden können.
Maurizio: Als begeisterter Geldreformer würde ich auf die Webseite von „International Movement for Money Reform“ gehen. Da sind alle Geldreformbewegungen, die es weltweit gibt, aufgelistet. Auf jedem Kontinent nimmt man sich der Geldthematik an, es ist spannend, den Blog zu lesen, zu erfahren was es an Teams gibt. Es ist immer wieder eine Freude auf diese Seite zu gehen. Es macht viel Sinn, auch bei den einzelnen Vereinen Mitglied zu werden. Wenn man in Italien ist, wäre es Moneta bene Commune oder Pro Vollgeld in Österreich, Monetative in Deutschland. Wovor ich auch großen Respekt habe, ist, wie jetzt Positive Money Europe arbeitet, das ist sehr, sehr professionell! Also, wenn man möchte, dass die vorankommen, ist es gut, da Mitglied zu werden, wo man sich am ehesten zugehörig fühlt, das hilft sehr. Wenn man zeitliche Ressourcen hat, so ist es kostbar sich da einbringen, bei einer Aktion mitmachen. Jede kleine Hilfe bringt uns alle weiter. Ein Buch, dass ich jetzt auch gerade gelesen habe, von Christoph Türke, heißt „Mehr!“ Philosophie des Geldes, kultur-anthropologische Analyse der Logik des mehr Wollens, der Plusmacherei. Er geht da an die Wurzeln der menschlichen Existenz, zurück an die Anfänge. Dieses Buch liest sich gut, auch für Menschen, die sich sonst nicht mit Geld beschäftigen, es macht es Spaß, das zu lesen.
Schlussworte
Anton: Wir müssen realisieren das wir in einer Zeit leben, die geprägt ist von der Naturwissenschaft. Das ganze Desaster, dass sich jetzt abspielt ist eine Folge von 400 Jahren Naturwissenschaft. Wenn wir die Bewusstseinsfrage stellen, so müssen wir auch fragen, was ist denn diese Naturwissenschaft, warum ist sie so mächtig. Sie arbeitet strategisch, wie ein Vernichtungslager. Die Riesenchance ist, wenn wir verstehen, wie Naturwissenschaft funktioniert, dass wir erkennen, dass hier eine Welterklärung stattfindet, die gar nicht fähig ist, das Ganze von Erde, Kosmos und Mensch zu verstehen. Die Aufgabe wäre, dass wir aus der Erkenntnis, wie Naturwissenschaft funktioniert und zu ihren Erkenntnissen kommt, zu einem Ansatz finden, wie wir ganz neu mit der Natur umgehen können, mit den Mitmenschen und auch mit den Ressourcen.
Paul: Für eine friedfertige Gesellschaft ist es grundlegend, dass wir zum Einen wieder die spirituelle Dimension integrieren, univers, im mechanistischen Weltbild und die Gesellschaft in diesen Rahmenbedingungen arbeitet. Zu dieser spirituellen Wahrnehmung und Analyse auch für die Gesellschaft, gehört, dass wir wirklich sämtliche Bereiche und Definitionen in sämtlichen wissenschaftlichen Bereichen hinterfragen.
Wenn wir es jetzt konkret anschauen, bezüglich der Wirtschaft, so muss ich sagen, dass ich sämtliche Grundprämissen einfach in Frage stelle.
Das Buch von David Gräber, „Schulden der ersten 5000 Jahre“, das der Anthropologe wirklich sehr gut aufgearbeitet hat, würde ich empfehlen. Wir müssen uns fragen lassen: ist der Mensch wirklich ein Homo ökonomikus? Gibt es den Tausch, in einer friedfertigen Gesellschaft? Ist unser heutiges Buchhaltungssystem mit dem Nullsummenspiel überhaupt aussagekräftig für einen Menschen, der eigentlich andauernd Neues produzieren kann? Welchen Einfluss haben diese Systeme auf die Wirtschaft und wie beeinflussen sie auch die Produktion, z.B. warum gibt es Produkte mit einer künstlichen Obsoleszenz (Alterung)? Sind diese und weitere negative Aspekte in einem Wirtschaftssystem, das vom Zinseszins Schuldgeldsystem beherrscht wird und das zusätzlich ein Nullsummenspiel die Folgen eines „Naturgesetz“ oder einfach nur unüberlegte oder sogar gewollte Fehler? Ebenso muß genau untersucht werden inwiefern das gängige Geldsystem auch auf die Ökologie einwirkt und die Nachhaltigkeit im Allgemeinen einwirkt und können wir eine neue Gesellschaft in einer nachhaltigen Wirtschaft überhaupt gestalten wenn wir das System des Geldes in Frage stellen und es auch neu gestalten?
Maurizio: Seien Sie zuversichtlich es „chommt scho guat“, ich vertraue auf die schöpferische, kreative Kraft der Menschen. Ich sehe das auch in meinem Umfeld: Kommt ein Problem, kann man es lösen, wenn man will, wenn man gemeinsam die Sachen anpackt. Und auch, dass man versucht die Dinge zu tun, die man gerne macht, sich überlegt, wer bin ich, was macht mir Freude und da in diesem Bereich dann arbeitet und sich einsetzt. Dies führt zu einer unglaublichen Zufriedenheit. Diese Zufriedenheit gibt man dann wieder weiter. Es führt zu einer positiven Spirale nach oben, wenn die Leute Freude haben an den Dingen, die sie tun und mit Zuversicht in die Zukunft gehen. Auch wenn es manchmal so scheint, als ob sehr, sehr viele unlösbare Probleme da wären, man kann im Kleinen viel bewirken und wenn das jeder tut und Freude daran hat, dann können wir die größten Probleme gemeinsam lösen!
Helmo: Was für ein Schlusswort! Da ist mir grad eine Strophe von der österreichischen Bundeshymne eingefallen: „Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten!“