Von der vermeintlichen Knappheit zur politischen Gestaltungsfreiheit – Ein Beitrag zur Reflexion und kritischen Diskussion über Geldschöpfung, Souveränität und Gemeinwohl.
„Es fehlt an Geld.“ – Dieser Satz hallt wie ein Mantra durch politische Debatten, wenn es um dringend notwendige Transformationen geht: Entgiftung der Meere, grüne Chemie statt Erdölwirtschaft, Renaturierung versiegelter Städte, Bildungs- und Traumaarbeit, Klimaanpassung und soziale Gerechtigkeit. Dabei ist Geld nicht die eigentliche Knappheit. Es fehlt vielmehr an Vorstellungskraft – und am politischen Willen. Genau hier setzt die Modern Monetary Theory (MMT) an und bringt eine hoffnungsvolle Botschaft: Das Geld für das Gemeinwohl ist da. Wir müssen es nur verstehen – und wollen.
MMT: Was steckt dahinter? Eine kurze Einführung
Die MMT ist keine Utopie, sondern eine makroökonomische Schule mit radikaler Klarheit: Staaten, die ihre eigene Währung herausgeben (wie die USA, Großbritannien, Japan oder auch der Euroraum mit Einschränkungen), können niemals „kein Geld mehr haben“, solange sie in ihrer Währung Schulden aufnehmen. Sie drucken nicht einfach Geld, sondern schaffen es über Staatsausgaben – und löschen es durch Steuern. Geld wird so zum öffentlichen Werkzeug, nicht zur privaten Ware. Es dient in erster Linie nicht der Akkumulation, sondern der Organisation realer Ressourcen.
Kernthesen der MMT:
Die einzig relevante Grenze staatlicher Ausgaben ist die reale Kapazität der Wirtschaft (z. B. Arbeitskraft, Energie, Ressourcen) – nicht ein Haushaltssaldo.
Staaten mit eigener Währung können nicht pleitegehen. Sie können jederzeit Staatsausgaben tätigen, solange sie in ihrer Währung zahlen.
Arbeitslosigkeit ist eine politische Entscheidung. Der Staat kann „Arbeitgeber der letzten Instanz“ sein und Vollbeschäftigung schaffen, ohne Inflation, wenn es genug reale Ressourcen gibt.
Steuern finanzieren nicht die Ausgaben, sie schaffen Nachfrage nach der Währung und regulieren Inflation.
Der Diskurs braucht Tiefe und Breite
Im Vergleich zu visionären Ansätzen wie Gradido oder FairNAwi, die mit Konzepten wie Schwundgeld, Lebensgeld oder vollständig gemeinwohlorientierter Allokation arbeiten, bleibt die MMT innerhalb des bestehenden Systems. Aber genau dadurch erreicht sie eine breite Wirkung: Sie bietet ein Analysewerkzeug, das auch in der Realpolitik anschlussfähig ist und Argumentationsgrundlagen für progressive Haushaltspolitiken liefert.
Offen bleiben jedoch Fragen:
- Wie sieht die MMT den Artikel 123 AEUV, der monetärer Staatsfinanzierung enge Grenzen setzt?
- Wie lassen sich Schuldgeldsysteme reformieren, ohne gesellschaftliche Polarisierung zu erzeugen?
- Wie kann ein geldpolitischer Diskurs so gestaltet werden, dass demokratische Mitbestimmung über die Geldschöpfung möglich wird?
Fazit: Geld als politisches Werkzeug neu denken
Egal ob MMT, Gradido oder FairNAwi: Am Ende geht es um einen Wahrnehmungswandel. Geld ist kein Naturgesetz, sondern ein demokratisch gestaltbares Mittel, das dem Gemeinwohl dienen kann und sollte. Die Einladung zur Diskussion ist offen: Wer wirtschaftliche Souveränität will, muss auch die Spielregeln der Geldschöpfung in den Blick nehmen.
Es ergibt keinen Sinn, weiter zu fragen: “Woher soll das ganze Geld kommen?” oder gar zu behaupten: “Erst muss die Wirtschaft wachsen, dann können wir ökologische oder soziale Herausforderungen angehen.” Geld ist ein soziales Konstrukt – und genau deshalb können wir es so gestalten, dass es dem Leben dient. Es ist an der Zeit, unser Geldsystem als Teil der Lösung zu begreifen – als Werkzeug, mit dem wir beginnen, den Planeten zu heilen und eine regenerative Zukunft zu ermöglichen.