Zaida Saenz und Christoph Körner

00:53

Zaida hat in Ecuador Ökonomie studiert, in Madrid ein Masterstudium in Entwicklungszusammenarbeit absolviert.

1:36

Dr. Christoph Körner war als evangelischer Studentenpfarrer zur Zeit des DDR Regimes, in der Friedensarbeit beschäftigt, wodurch er zur Geldfrage kam und autodidakt Wirtschaft studierte um Zusammenhänge zu verstehen.

2:38

CK: Ja ich bin ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand, 78 Jahre, aber ich bin noch sehr aktiv, schreibe Artikel wie ich jetzt gerade einen Artikel für unsere Kirchenzeitung geschrieben habe „Kein einfaches Weiterso, aus der COVID-Krise sollte ein neues Wirtschaften und Schöpfungsverhältnis erwachsen“ und da bin ich auf die vielen Krisen eingegangen, die Gesundheitskrise, die ökonomische Krise, die ökologische Krise, und die geschlechterspezifische Krise und ich hoffe, dass das eine große Resonanz in unserer Landeskirche hat, denn gestern hat schon der erste angerufen und sich bedankt für diesen Artikel, damit hab‘ ich gar nicht gerechnet, eher mit Kritik.

3:33

JM: Ja wenn die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, dann können auch einzelne sehr viel bewegen.

Zaida ist via Internet im Praktikum für ihren zukünftigen Arbeitsgeber, dem Netzwerk für Soziales in Lateinamerika der Salesianer. (Seit Mitte März arbeitet sie in Quito.)

Christoph ist vor dem Fall der Mauer auf der Liste derer gestanden die inhaftiert werden müssen. Gott sei Dank ist er durch den Fall der Mauer ohne Gefängniserfahrung geblieben.

5:10

CK: Schön, dass wir jetzt zu dritt sprechen können

JM: Lieber Christoph, du hast gelesen, was Zaida uns geschrieben hat. Magst du uns erzählen, was dir bei ihren Projekten besonders gut gefällt und was du unterstreichen möchtest. Woraus du auch für deine Arbeit im Osten Deutschlands lernen kannst.

CK:  Straßensituation, Kinder die obdachlos sind, Gefangene, Migranten, Zaida hat das alles erlebt, kennt Verhaltensstörungen von Kindern, Arbeitslosigkeit, HIV und das alles, Familien in gefährdeten Situationen. Sie hat genau das gesagt, was Papst Franziskus in seiner Enzyklika Fratelli tutti bzw. in seinem privat geschrieben Buch weitergegeben hat: die Veränderung kommt nur von Rändern der Gesellschaft, dort müssen wir uns engagieren, denn dort ist Christus. Es gefällt mir, dass Zaida das genau so gemacht hat, ja die Lateinamerikaner! Dort ist die Befreiungstheologie entstanden, die in diesem Dreischritt vorgeht: Sehen, Urteilen und Unterscheiden zwischen Gut und Böse, und dann Handeln. Das Buch von Papst Franziskus ist auch so strukturiert, das find ich so so wichtig, die Befreiungstheologie hat ja vor 30, 40 Jahren alles schon so gemacht. Wenn ich da an Pablo Freire denke der in Brasilien gearbeitet, eine ganz neue Reformpädagogik entwickelt hat, ich finde, das hat Zaida alles fantastisch schon aufgenommen und gemacht.

 

08:03-09:15

Zusammenfassung der Aussagen CK für ZS auf Spanisch.

 

ZS Ja, für die Salesianer ist es eine Priorität, ich glaube, dass Papst Franzisco in den Enzykliken sagt, dass man an die Peripherie gehen soll, dass niemand ausgeschlossen ist und denen, die die Gesellschaft „weggeworfen“ hat, Chancen geben soll. Für uns sind dies keine Menschen, die draußen ausgeschlossen sind, sondern es sind wichtige Personen, unsere Priorität. Darum gefällt es mir mich auf dieses Sozialfeld zu konzentrieren und mich hier einzubringen. Die Arbeit ermöglicht mir, diesen Menschen mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten zu helfen, es motiviert mich als Fachfrau, diesen Menschen eine Gelegenheit geben zu können, wie ich sie auch von anderen Menschen erhalten habe.

 

10:10-10:35

Kurzzusammenfassung Aussagen ZS auf Deutsch.

 

10:35

JM: Lieber Christoph, was wir heute erleben ist so besonders, weil du als Doktor der Theologie wie Martin Luther eben, dich so sehr mit den Erfordernissen die da sind beschäftigst und als evangelischer Studentenpfarrer ein Buch von Papst Franziskus rezensierst. Das ist so ein Geschenk, ganz besonders hat mich gefreut von dir zu hören, dass du, nach der Wende, als ihr gemeinsam überlegt habt wie kann das weitergehen, Dich auch für die Leute von der SED eingesetzt hast, dass die auch ihres betragen können, die waren ja stigmatisiert, aber du hast gewusst, jeder Mensch hat gute Ideen für unsere Zukunft.

11:35

CK: Genau. Also ich denke wir müssen bescheiden sein, als Basiswissen in unseren Gemeinden erstmal verbreiten, dass dies so ist, es fehlt noch viel an Informationen. Wir Menschen sollen nicht egoistisch sein, sondern wissen, dass wir auf Beziehung, auf Begegnung, auf Kooperation angewiesen sind und dass wir im Grunde genommen durch Beziehungsarbeit im Leben für das Gemeinwohl verantwortlich sind. Natürlich muss der Mensch immer eingebunden sein in das ökologische Netzwerk der Erde, dessen Stabilität nicht verletzt werden darf aber verletzt wird, so dass man jetzt schon von den neuen Zeitalter spricht, vom Anthropozän, wo der Mensch im Grunde genommen die Natur beherrscht und zerstört, das darf nicht sein und da muss man überlegen was die Leitprinzipien einer postkapitalistischen, solidarischen Ökonomie sind. Ich denke, da ist zunächst die Umkehrung der wirtschaftlichen Wertvorstellung notwendig, dass man erstmal sagt ich brauch eine Bereitstellung nützlicher Produkte und Dienstleistung und Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze und eine Richtigstellung der Mittel-Zweck-Beziehung, wir brauchen zunächst die Erhaltung der Schöpfung, damit sie nicht weiter zerstört wird, sondern dass sozusagen die Wirtschaft mit der ökologischer Stabilität einhergeht, da müssen wir noch viel machen. Und dazu müssen wir zunächst das Bewusstsein bei den Menschen stärken, bei vielen die denken, „was kann ich schon machen?“ Also ich brauche eine solidarische Teilhabe aller. Dazu müssen kulturell und sozial stabile Gemeinwesen geschaffen werden, sodass die Solidarität und das Gemeinwohl die Oberhand gewinnen kann. Aber dies kann nicht anders geschehen als dass man die spirituellen Werte da mithineinnimmt. Jeder Mensch hat irgendwie auch ein Gefühl der Transzendenz und wir Christen sind eigentlich dazu am besten berufen weil wir wissen, dass wir nur leben in der Schöpfung Gottes und dass wir Gott verantwortlich sind und dass wir von Gott auch viel erwarten können. Dann können wir auch zu den Zielvorstellungen einer postkapitalistischen Ökonomie übergehen mittelfristig und langfristig.

 

15:24-15:50 Kurzzusammenfassung Aussagen CK auf Spanisch

15:53

JM: Christoph, du hast ja auch Erfahrung gemacht mit dem Zschopautaler, einer regionalen Währung bei der 100 Betriebe mit dabei waren, durch 7 Jahre hindurch hattet Ihr damit ein neues wirtschaftliches Miteinander aufgebaut und gelebt.

Von Zaida hab‘ ich leider gehört, dass sie nichts gewusst hat über Mauricio Wild, der in ihrer Heimat, in Gebirgsregionen Ecuadors bereits vor vielen Jahren kleine Tauschkreise aufgebaut hat, die sich vernetzt haben und mit einem LKW dann auch Handel mit der Küsten haben betreiben können.

16:48

CK: Ich glaube das gibt es irgendwie überall schon auf der Welt kleine Initativen die das machen, das find‘ ich toll.

16:58

JM: Ja es gibt schon über 10.000 Regionalwährungen auf der Welt.

17:20-17:45 Kurzzusammenfassung auf Spanisch

17:50

JM: Christoph, du hast mir geschrieben, dass es schwierig ist in der Friedensarbeit mit Leuten,  die nicht wissen, dass ihr Problem eigentlich bei ihnen selbst ist. Dass wir alle selbstkritische Innenschau brauchen um sündige Strukturen, die zur Gier motivieren verändern zu können, eine Abkehr vom bipolaren Denken wünschst du dir. Wenn wir geduldig werden können wir in den Dialog kommen. Die Konfrontation zeigt, dass uns die Angst im Griff hat und ich glaube genau dazu, zur Angst können vielleicht du und Zaida uns besonders viel sagen.

18:52

CK: Also ich denke was du gesagt hast, die Angst um die eigene Existenz ist ganz grundlegend jetzt in dieser Krise, in der COVID 19 Pandemie herausgekommen und das wurde auch von einigen Wissenschaftlern, Soziologen, bestätigt. Es wird gefragt „Wie kann eine angstfreie Gesellschaft mitgestaltet werden.“ Das Tolle ist, dass gerade Soziologen aber auch der Papst das Bedingungslose Grundeinkommen fordern und ich habe gerade vor einen Monat einen Artikel geschrieben „kommt nun doch das Bedingungslose Grundeinkommen weil der Papst es wieder in die Diskussion gebracht hat.“ Und da kann ich dir erzählen, dass Soziologen, hier z.b der führende Soziologe an der Chemnitzer Universität befürwortet und analysiert hat und dass jetzt sogar in Deutschland ein Modell passiert, das heißt Verein „Mein Grundeinkommen“, unter der Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftspolitik und der Universität in Köln, die haben jetzt ein 3-jähriges Modell gegründet wo Tausend Leute monatlich 1200 Euro bekommen, und es wird verglichen mit Leuten die das nicht bekommen, wie die leben und wie sie kreativ werden. Es startet mit der ersten Auszahlung jetzt im März. Das Tolle ist, dass sich für dieses Modell 2 Millionen Menschen gemeldet haben. Es wurden erst mal Tausend Leute ausgewählt, aber da passiert etwas und ich denke, dieser Konsens von Wissenschaft und Praktikern, dass eine angstfreie Gesellschaft die bessere Gesellschaft ist, kann durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gefördert werden oder sogar entstehen.

JM: Wie sieht Zaida die Zusammenhänge zwischen Angst in der Gesellschaft und zwischen dem, was wir uns so sehr wünschen für die Menschheit.

22:20

ZS:

28:03-28:42 Kurzusammenfassung Aussagen SZ auf Deutsch

 

Ich denke, Angst ist normal. An einem Punkt im Leben durchlaufen wir alle Situationen, die uns dieses Gefühl der Unsicherheit vermitteln. Wichtig ist, vor dieser Situation nicht zu verharren, sondern sie zu überwinden, wir transformieren uns durch diese Schwierigkeiten. Es ist etwas, das ich erlebt habe, als ich hierher nach Europa kam, um zu studieren, weil ich viele Dinge in Ecuador zurücklies. Ich war mir nicht sicher, ob ich später einen Job finden würde. Dann aber, wenn du es wagst und dich dieser Situation stellst, kannst du dich ändern. Jetzt fühle ich mich aufgrund der Dinge, die passiert sind wie eine andere Person. Ich denke, das ist es, was wir den Menschen als Gesellschaft beibringen müssen, diese Menschen, die die Gesellschaft als verletzlich, als arm identifiziert. Weil sie Angst haben etwas zu sagen, weil es ihnen noch schlechter gehen könnte, wenn sie etwas sagen (?) Sie bleiben in dieser Situation der Angst und glauben, dass das, was mit ihnen passiert, normal ist. Sie normalisieren die Situationen, in denen sie leben, wir möchten wir ihnen helfen, diese Angst zu überwinden. Sie können mehr und verfügen über Fähigkeiten und Talente. Sie haben das Recht, die Situation zu verbessern und Chancen zu nutzen. Ich denke, das ist unsere Aufgabe.

 

28:47

JM: Christoph, du hast gesagt, dass die glücklichen Beziehungen ein Prozess sind. Es gibt keine Perfektion in Beziehungen es ist ein fließendes Sein. Wir müssen andere Denkarbeiten kennenlernen und uns einüben in Streitschlichten, die Wissenschaft braucht interdisziplinäres Miteinander um von Fachidiotien wegzukommen.

CK: Es ist wichtig, dass auch die Theologen aus ihrem Elfenbeinturm kommen. Die meisten Theologen beschäftigen sich nur mit theologischen, dogmatischen Fragen, aber nicht mit der Wirklichkeit. Man kann heute keine Theologie oder Seelsorge oder Verkündigung machen, wenn man sich nicht informiert in anderen Wissenschaften und möglichst mit anderen Wissenschaftlern, Naturwissenschaften, Technikern, zusammen diskutiert, über Probleme die uns heute begegnen. Ich werde manchmal belacht, da wird mir von Theologen gesagt du bist ja gar kein Wirtschaftler, Schuster bleib dabei bei deinem Leisten, nach dem Sprichwort. Nein nein, wir müssen genau sehen wie Jesus das auch gesehen hat, er hat nicht nur nach Dogmatik des jüdischen Gesetzes gehandelt. Und das macht mir eigentlich viel Spaß und ich möchte das auch bis zum Lebensende noch tun, sodass man auch als Geisteswissenschaflter, als Theologe, Leitlinien miterarbeiten kann für ein postkapitalistisches System und ich denke die Zielvorstellung sind ja für mich nach wie vor, dass was geändert wird in der Geldphilosophie. Geld darf nur Wertmesser und Tauschmittel sein, der Boden darf nicht Privatbesitz sein, sondern den Boden hat niemand geschaffen, so dass er Allgemeingut ist, aber privat genützt werden kann, durch pachten und Steuern. Es darf nicht die Arbeit besteuert werden, sondern das Kapital, das Vermögen und die Gewinne. Wir brauchen eine wertegeleitete Wirtschaft.  Es müssen Werte als Zielvorstellung da sein, nicht weiter Egoismus und Gewinn.

 

Die Frage ist, wie können wir gemeinsam als Gemeinschaft, als sogar Weltgemeinschaft sozusagen füreinander, miteinander wirtschaften und arbeiten. Wir brauchen nicht mehr  Abschöpfungs- und Bereicherungsmechanismen anzuwenden, diese müssen überwunden werden. Also nicht  bloßes Wachstum, Wachstum, Wachstum. Es muss eine Gleichgewichtsökonomie geben – eine Gemeinwohlwirtschaft die auch sofort das ökologische Gleichgewicht immer im Blick hat mit.

32:50

Christophs Frau Karin: darf ich mich ganz kurz mitmelden, hallo Josefa, hallo Frau Zaida. Ich möchte Euch eine Anregung, die ich gerade im Radio gehört habe, weitergeben. Die Bewegung Fridays for future, die gibt’s ja bei uns und in Berlin ist eine Gruppe mit einer Dokumentarfilmerin begleitet worden, das kommt morgen am Abend im NDR Fernsehen ein sehr guter Dokumentarfilm.

33:54

JM: Ich möchte dich jetzt liebe Zaida zum Abschied bitten, ob du uns noch was sagen magst für mich und für den Christoph was für uns für Seitenstetten wichtigt ist.

35:15

SZ:

37:00 Zusammenfassung auf Deutsch

Es wird viel über die „Neue Armut“ gesprochen. Ich glaube, dass die COVID-Pandemie „Neue Armut“ erzeugt hat bzw Armut die es vorher bereits gab reproduziert hat. In Entwicklungsländern, also im Norden gibt es Ressourcen, es geht hier um die Realitäten im Süden. Hier muss man herausfinden welche „Neue Armut es gibt und welche Strategien  umgesetzt werden können, um diese neuen Armen zu unterstützen, Armut zu reduzieren, zu eliminieren und sicherzustellen, dass niemand ausgeschlossen wird. Viele Leute, der Papst, die Salesianer-der Rektor Major hat das Ziel bekräftigt- und auch im Master hat es geheißen “niemand wird zurückgelassen” So heißt es auch in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Aber es ist wichtig, dass diese Worte wahr werden. Es dürfen nicht nur schöne Wünsche oder schöne Gedanken bleiben. Die Welt muss verstehen, dass man jeden sehen muss, um sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird. Dass es nicht beim Privileg einiger weniger bleibt.

 

38:20

CK: Ja ich denke, dass wir die Hoffnung nie aufgeben sollen. Das hab‘ ich ja schon im Frühjahr in meinem Auswegdialog gesagt, mit dem Gedicht von Heinz Karlamm der kein Christ war, aber doch ein Gedicht geschrieben hat und bei den Marxisten damit angeeckt ist. „Wenn die Erfahrungen über die Hoffnungen siegen und die Hoffnungen keine Erfarhung mehr haben, wo die Erfahrungen enden, da beginnt der Glaube. Das ist die Stelle, an der auch die Zukunft beginnt.

 

39:30

Karin, Christophs Frau:

Wir müssen endlich sehen, dass wir alle Geschwister auf Mutter Erde sind!


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